Nachruf auf Wolfgang „Poldi“ Hartwig – Ein Leben am Ball

Verband der Sportjournalisten Berlin-Brandenburg (VdSBB)

15.06.2017 Wolfgang „Poldi“ Hartwig war eines der Urgesteine des VdSBB. Er prägte Generationen. Am 7. Juni ist er im Alter von 86 Jahren gestorben. Zwei Weggefährten erinnern sich.
Autor: Manfred Hönel und Michael Jahn
Am 2. Juni rief ich bei Hartwigs an, um Lilly Hartwig zum 86. Geburtstag zu gratulieren. Danach kam Wolfgang ans Telefon. Schon ein paar Tage vorher hatte er mir erzählt, dass bei ihm Metastasen an Leber und Nieren festgestellt wurden. „Ich unterziehe mich mit 87 Jahren keiner Chemo oder Bestrahlung mehr. Das ist Quälerei“, sagte mir Wolfgang.

Also fragte ich an, wann ihm ein Besuch von mir recht wäre. Bei seiner Antwort spürte ich plötzlich einen Kloß im Hals. „Manne, besuch’ mich nicht, setz’ dich lieber hin und schreib’ einen Nachruf! Volker Kluge hat mir versprochen, die Trauerrede für mich zu halten. Damit du bescheid weißt – ich komme auf den Friedhof Pankow 3.“

Fünf Tage nach diesem Gespräch starb Wolfgang Hartwig – genau am 7. Juni, als wir Berlin-Brandenburger Sportjournalisten auf Sommerfahrt nach Lutherstadt Wittenberg unterwegs waren. Die Fahrt wollte er gern noch mitmachen. „Aber ich kann schlecht laufen und gehe nicht mehr aus dem Haus“, erklärte Wolfgang, der in Berliner Journalisten-Kreisen nur „Poldi“ genannt wurde.

Zum Spiel Hertha BSC gegen RB Leipzig hatte er sich Anfang Mai aber noch geschleppt (Hertha-Foto: firo sportphoto/Augenklick). Der Fußball war Wolfgangs Leben ebenso wie seine Leidenschaft für Handball und Eishockey. Unter Journalisten fühlte er sich besonders wohl und zählte auch deshalb zu den aktivsten Mitgliedern unseres VdSBB.

Als Pädagogik-Student ließ er in seiner Heimatstadt bei Wissenschaft Halle an der Saale den Ball in der DDR-Liga laufen. 1953 stieg er als Journalist bei der Jungen Welt ein. Am 70. Gründungstag dieser Zeitung gehörte er im Februar dieses Jahres im Kreise seiner ehemaligen Kollegen zu den Gästen der Erinnerungsfeier.

Der junge Sportredakteur lernte in der DDR schnell die Tücken des Journalismus kennen. Nach dem WM-Sieg der bundesdeutschen Fußball-Nationalmannschaft formulierte er in der sächsischen Ausgabe der Jungen Welt: „Ein Triumph des Weltfußballs“. Die Zeitung erschien aber mit der Schlagzeile: „Ein Triumph des Westfußballs.“ Danach erlebte Wolfgang Hartwig ein paar schwere Tage. Es kam nie heraus, wie das „s“ anstelle des „l“ in die Zeitung gekommen war.

Nach 27 Jahren bei der auflagenstärksten DDR-Zeitung  wechselte er 1980 zur Berliner Zeitung. Als Sportchef brachte er das Blatt mit Erfahrung und Fingerspitzengefühl durch das schwere Wasser der Wendejahre, ehe er 1994 in den Ruhestand ging. Bis zu seinem 85. Geburtstag schwang er noch bei Grün-Gold Pankow das Racket. Neben tausenden Artikeln brachte Wolfgang Hartwig sein Fachwissen auch in dutzenden Fußball- und Olympiabüchern ein.

Wolfgang, Danke für alles, was wir mit Dir gemeinsam erleben durften

Der beliebte Journalist berichtete von Olympischen Spielen ebenso wie von Weltmeisterschaften im Handball und Eishockey sowie natürlich rauf und runter vom Fußball in allen Varianten: DDR-Oberliga, Bundesliga, EM, WM, Länderspiele, Champions League und frühere Pokalwettbewerbe wie Messepokal und Pokal der Pokalsieger.

Die drei Hartwig-Kinder gehen nicht unbedingt alltäglichen Berufen nach. Thomas arbeitet in der IT-Branche, Patrick stürzt sich als Fallschirmsprung-Lehrer vom Himmel und Tochter Janina sagt als Schwester Hanna fast jeden Dienstag in der ARD „Um Himmels Willen“.

Als viertes Enkelchen und erstes Kind von Sohn Patrick kam im Mai Helene auf die Welt, was den Opa offensichtlich besonders ans Herz ging, denn schon lange vor der Geburt erwähnte er das freudige Ereignis immer wieder.

Wolfgang, Danke für alles, was wir mit Dir gemeinsam erleben durften. Du kannst sicher sein – wir Berliner Sportjournalisten werden Dich in ehrenvoller Erinnerung behalten.

Manfred Hönel


Als Student habe ich Wolfgang Hartwigs Fußball-Kommentare verschlungen. Sie waren kritisch, meinungsstark und unterhaltsam. So wurde Wolfgang ein journalistisches Vorbild für mich – zuerst aus der Ferne. Als ich Mitte der 1980er Jahre zur Berliner Zeitung kam, konnte ich dann direkt Schreibtisch an Schreibtisch mit Wolfgang zusammenarbeiten.
 
Er forderte und förderte mich, warf mich schnell ins Fußballgeschäft hinein. Zuerst konnte ich mich bei der Berichterstattung über den 1. FC Union beweisen, später auch beim BFC Dynamo, der lange Wolfgangs Revier war (Union-Foto: firo sportphoto/Augenklick). Nach dem Fall der Mauer übertrug er mir die Berichterstattung zu Hertha BSC. Oft waren wir auch gemeinsam in den Stadien, und ich konnte viel von Wolfgang lernen, der überall respektiert war.

Mit ruhiger Hand und großem Interesse
 
Als Sportchef hielt er sein Ressort zusammen und führte es auch in turbulenten Zeiten mit ruhiger Hand. Jahre später, als Wolfgang in Rente gegangen war, las er all meine Artikel über Hertha BSC und den Fußball mit großem Interesse, gab ab und an sein Urteil per Telefon ab. Mal bekam ich Lob, ab und an kritisierte er auch – Chef bleibt eben Chef! 
 
Regelmäßig besuchte er die Heimspiele von Hertha BSC und diskutierte gerne mit mir in der Halbzeitpause das Geschehen. Zuletzt sah er blass aus. Er rief mich vor einiger Zeit an und teilte mir mit, dass er schwer erkrankt sei. Jetzt ist er gestorben, aber ein Trost bleibt mir: Ein erfülltes journalistisches Leben hatte er allemal.
 
Michael Jahn