„Beim Privatfernsehen braucht man eine 34 und Extensions im Haar“

ZDF-Moderatorin Christa Haas

29.08.2016 Christa Haas war die erste Sport-Redaktionsleiterin des ZDF. Im sportjournalist-Interview blickt sie auf über 30 Jahre Moderationstätigkeit zurück – und setzt sich kritisch mit den Kolleginnen der Web-Generation auseinander.
 
sportjournalist: Frau Haas, ist die äußere Erscheinung einer Moderatorin im Fernsehen wichtig?

Christa Haas: Na klar, deshalb machen wir ja Fernsehen. Das gilt für Männer aber genauso.

sj: Werden diesbezüglich klare Kriterien formuliert?

Haas: Das würde niemand tun, und ich sage Ihnen auch, warum: Maskenbildner sind wahre Künstler. Und mit Licht und Einstellung kann?man viel machen.? Allerdings hat man ?im Fernsehen durch ?die Optik auch locker eine Kleidergröße ?mehr. Ich trage eine 34, das ist im Sport fast Usus,? zumal die Mehrzahl der Redakteure und Redakteurinnen selbst sehr sportlich ist. Eine Magdalena Müller aber zum Beispiel hatte eine gute 40. Und die hat auch moderiert.

sj: Ist die Figur bei Männern ähnlich entscheidend?

Haas: Kennen Sie einen richtig kräftigen Sportmoderator? Außer Waldemar Hartmann (Foto: firo Sportphoto/Augenklick), der hatte einen Sonderstatus. Ansonsten dürfen Männer älter werden und sich weiter vom Schönheitsideal entfernen als Frauen. Aber wenn man im Sportressort 30 Kilogramm zu viel hat, nimmt einem das auch als Mann die Glaubwürdigkeit.

sj: Wäre Magdalena Müller heute noch vermittelbar, zum Beispiel an einen Privatsender?

Haas: Auf keinen Fall. Beim Privatfernsehen braucht man eine 34 und Extensions im Haar. Ich habe da bis jetzt kaum andere Frauen gesehen. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn sie fachlich fit sind. Aber was ich nicht leiden kann, ist, wenn es auf die Optik reduziert wird. Nur gut aussehen, auf den Sender gehen und darauf warten, dass das andere schon irgendwann kommt, ist nicht gut. Und das passiert heute leider wieder öfter.

sj: Ist das Fernsehen für dieses Phänomen anfälliger als andere Medien?

Haas: Schon. Ich hätte gerne die Mischung: gut aussehende, gut vorbereitete, wissende Moderatorinnen. Es gibt aber auch Männer, bei denen ich mich schon gefragt habe, was die da bitte machen. Das vergisst man manchmal. Es gibt männliche Kollegen, bei denen es hauptsächlich um lockere Sprüche geht und bei denen ich ebenfalls Fachwissen vermisse.

sj: Schadet es dem Image fachlich gut ausgebildeter Sportjournalistinnen (Müller-Foto: ZDF), wenn ein paar Kolleginnen in erster Linie gut aussehen?

Haas: Ja, es schadet. Und das ist so traurig. Denn es gibt richtig Gute, die alles haben, aber es gibt eben auch welche, bei denen was fehlt. Und dafür sind Fotos in bunten Printmagazinen kein Ersatz – aber sie sind 100-prozentig ein Ersatz für viele Rezipienten. Deshalb kann man das nur korrigieren, indem Kolleginnen kommen, die hübsch sind und noch mehr zu bieten haben.

sj: Woher kommt der Reflex bei Teilen der Zuschauerschaft, eine schöne Frau habe automatisch keine Ahnung?

Haas: Weil es im Fernsehen einige gab und gibt, bei denen es zutrifft.

sj: In der April-Ausgabe des sportjournalist wurde eine Umfrage zitiert, in der es um die „heißeste Moderatorin“ ging. Es gab Protest, man hätte das ignorieren sollen.

Haas: Das ist Quatsch. So was hat noch nie jemand ignoriert, seit es Fernsehen gibt. Es ist mir egal und Ihnen auch, und ich weiß auch nicht, an welchem Stammtisch das besprochen wird – aber es wird besprochen.

sj: Stört Sie der Gedanke nicht, dass andere so über Sie reden?

Haas: Mir hat man gleich am Anfang gesagt: Wenn ich viel moderiere, bin ich eine Person des öffentlichen Lebens. Da kann ich mich überhaupt nicht weigern. Und dann muss ich nicht nur damit klarkommen, dass ich erkannt werde, sondern auch damit, dass ich beurteilt werde. Darauf, wie ich beurteilt werde, habe ich keinerlei Einfluss. Und wenn ich will, dass das Äußere vom Beruf getrennt wird, muss ich zu den Printmedien oder zum Radio gehen.

sj: Viele Kolleginnen versorgen ihre Zuschauer mittlerweile in den sozialen Netzwerken mit Selfies. Machen sie sich damit angreifbarer als nötig?

Haas: Nein. Und es ist überhaupt nicht verwerflich, sondern gehört zum Geschäft. Ich bin froh, dass ich da draußen bin. Aber auch von mir haben sie vor 30 Jahren Bilder auf dem Motorrad gemacht, weil ich selbst Motorrad gefahren bin und das für eine Frau nicht so normal war.

sj: War das zu Ihrer Anfangszeit auch schon Teil der Selbstvermarktung?

Haas: Es gab Moderatorinnen, deren Management gesagt hat: Egal wie und was, aber einmal in der Woche muss es einen Artikel über dich geben. Ich finde lediglich, dass man es nicht übertreiben und zu sehr auf diese Fotos und die Öffentlichkeit setzen sollte. Momentan kenne ich viele von den jungen Frauen nicht mal mehr. Und das hat zur Folge, dass diejenigen, die wirklich etwas leisten, gezwungen sind, mitzumachen – sonst gehen sie unter. Man vergisst sie einfach, weil sie nicht präsent sind. Es gibt leider auch viele, die präsent sind und nichts leisten.

sj: Haben Sie den Eindruck, dass es manchmal zu wenig um Sport geht?

Haas: Sportmoderation war früher journalistischer. Es hat hier im Haus jeder Ärger bekommen, wenn es um ihn ging. Wenn das überschwappt, finde ich das nicht gut, auch heute nicht. Und da hat sich einiges verändert. Ich bin immer noch der Meinung, dass die Person, die eine Sache verkauft, auf keinen Fall wichtiger sein sollte als die Sache, die sie verkauft.

Mit Christa Haas sprach Katrin Freiburghaus

Das Interview mit Christa Haas finden Sie in voller Länge in der Juni-Ausgabe des sportjournalist. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.