Umsteiger Paderborn-Blogger Stephan Simann – „Hoffentlich war es ein Ausrutscher nach unten“

Serie „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“

14.09.2016 Auf diesen Durchmarsch hätte der SC Paderborn gerne verzichtet – in einem Rutsch runter von der ersten in die dritte Liga. Der Blogger Stephan Simann hält seinem Klub dennoch die Treue. Im sportjournalist-Interview erklärt er warum.
 
Seit August 2013 betreibt Stephan Simann (Foto: privat) den Paderborn-Blog Schwarz und Blau. Der 29-jährige Mathematiker arbeitet bei einer Versicherung und ist vor kurzem von Dortmund nach Wiesbaden umgezogen. Der SCP ist seit dem FC St. Pauli (Saison 2002/2003) der erste Klub, der nahtlos von der ersten in die dritte Spielklasse durchgereicht wurde. Für Simann, der diese Saison alle Heim- und einige Auswärtsspiele der Paderborner sehen will, kein Grund, mit dem Bloggen aufzuhören: „Liebe kennt keine Liga.“

sportjournalist: Herr Simann, der 20. September 2014 ist für den SC Paderborn ein historisches Datum. Wissen Sie warum?

Stephan Simann: Das kann ich spontan nicht sagen, ich müsste raten. War da das Spiel gegen Hannover?

sj: Richtig. Mit dem 2:0-Heimsieg wurde der Aufsteiger Tabellenführer der Fußball-Bundesliga. Jetzt ist Ihr Klub in der dritten Liga.

Simann: Das zeigt deutlich, dass auf allen Ebenen einiges schief gelaufen sein muss. Zum Abstieg aus der ersten Liga muss ich sagen: Okay, passiert, damit war zu rechnen. Aber der aus der zweiten Liga war sehr unerwartet. Ich hätte nicht gedacht, dass sich Paderborn in der dritten Liga wiederfindet.

sj: Wie war Ihre Reaktion? Trauer oder Wut?

Simann: Wut ist mir zu aggressiv. Ich war fassungslos, dass alles so den Bach runterging. Ein extremer Absturz. Ich versuche optimistisch zu sein, dass es uns nicht so ergeht wie Energie Cottbus oder Wattenscheid 09, die in der Regionalliga sind. Hoffentlich war es ein Ausrutscher nach unten.

sj: Wie wird ein Brandenburger zum Fan des SCP? Der Klub ist ja keiner der bekannten in Deutschland.

Simann: Ich bin an der Grenze zu Sachsen-Anhalt aufgewachsen und war als Kind nie in großen Fußballstadien. Dazu hätte man extra nach Berlin fahren müssen. Wegen des Studiums bin ich in Paderborn gelandet. Dort habe ich Spiele besucht, erst eines, dann zwei, dann habe ich mir eine Dauerkarte gekauft und bin auch auswärts mit.

sj: Das erklärt aber nicht, warum Sie Blogger geworden sind und zu einem SCP-Experten, der schon bei n-tv war.

Simann: Ich sehe mich als Fan. Ein anderer Blog wurde damals eingestellt, es gab keinen Ersatz, da habe ich einfach angefangen (Foto: Screenshot Schwarz und Blau). Es macht mir extrem viel Spaß. Ich habe auch nach den beiden Abstiegen nie daran gedacht aufzuhören. Ich bin wohl der einzige Blogger hierzulande, der mit seinem Klub in so kurzer Zeit alle drei oberen Ligen abgedeckt hat.

sj: Wie finanzieren Sie Ihren Blog?

Simann: Der ist komplett privat. Ich habe bewusst keine Werbung. Der Blog war nie darauf ausgelegt, Einnahmen zu generieren. Es ist ein Hobby, und Hobbys kosten in der Regel Geld.

sj: Erhalten Sie Unterstützung? Sie erstellen ja viele Artikel, die Seite ist aktuell.

Simann: Ein wenig Hilfe bekomme ich schon, aber eigentlich ist es eine One-Man-Show. Wenn die Saison läuft, investiere ich pro Woche um die zehn Stunden in den Blog.

sj: Wie ist die Resonanz auf Ihre publizistische Arbeit?

Simann: Die wurde von Jahr zu Jahr größer. Ich bin gespannt, wie es jetzt in der dritten Liga wird. Die Anzahl der Aufrufe ist schon eine Form der Wertschätzung und auch Motivation für mich.

sj: Blogs sind in. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Simann: Blogger haben Nischen gefunden und machen Sachen, die es sonst nicht geben würde. Blogs sind häufig auch innovativer als Sites herkömmlicher Medien.

sj: Sehen Sie eine bestimmte Entwicklung bei Blogs?

Simann: Podcasts sind immer beliebter im Fußballbereich, ich probiere das auch seit einiger Zeit aus. Ein Vorreiter ist der Collinas-Erben-Podcast. Dort wird sich intensiv und fachkundig mit den Leistungen der Schiedsrichter auseinandergesetzt. Viele Leute entdecken Podcasts, weil man die unterwegs gut hören kann (Foto SCP-Coach Stefan Effenberg: firo Sportphoto).

sj: Wie sehen Sie Social Media? Es gibt viel Kritik wegen oftmals dämlicher Beiträge.

Simann: Wir müssen lernen, Social Media vernünftig zu nutzen. Diese Technik ist da, wir werden sie nicht mehr los. Social Media bereichert das Leben, ich habe zum Beispiel über Twitter viele tolle Leute kennengelernt, unter anderem einige Blogger.

sj: Und Journalisten?

Simann: Ja, auch Journalisten. Zum Teil nehmen diese Blogger allerdings nicht ernst, was nicht zwingend gerechtfertigt ist. Vielleicht wählen sie diese Abwehrhaltung, weil sie sich keine Konkurrenz ins Haus holen wollen. In Deutschland zeigt aber der Spielverlagerung-Blog, dass auch ernst zu nehmende Inhalte in diesem Bereich entstehen.
 
Mit Stephan Simann sprach Clemens Gerlach

Dieses Interview stammt aus der Ausgabe August 2016 des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.