Umsteiger Oliver Lück – „Ich bin ein Geschichtensammler“

Serie „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“

02.05.2017 Oliver Lück war ein guter Fußballer. Und er war Sportreporter. Nun trifft er Menschen, die gar nicht prominent sind und schreibt deren Geschichten auf. Mitten aus dem Leben. Das freut ihn – und seine Leser.
 
Der blaue VW-Bulli, die Hovawart- Hündin Locke und Oliver Lück sind ein eingespieltes Team. Für die Bücher „Neues vom Nachbarn – 26 Länder, 26 Menschen“ (2012) und „Flaschenpostgeschichten – Von Menschen, ihren Briefen und der Ostsee“ (2016) waren sie in ganz Europa unterwegs (www.lueckundlocke.de). Und trafen Fischer auf einsamen Inseln oder Bernsteinsammlerinnen im Baltikum. Lück, Jahrgang 1973, lebt mit Frau und drei Söhnen in der Metropolregion Hamburg. Er war vor seiner Tätigkeit als Buchautor unter anderem Sportredakteur bei den Lübecker Nachrichten und dem Magazin Rund.

sportjournalist: Oliver Lück, Sie sind ein arrivierter Buchautor und Fotograf. Hätten Sie es auch zum Fußball-Profi bringen können? Sie galten als sehr talentiert.

Oliver Lück: Das sollen andere beurteilen. Ich gehörte von der U17 bis zur U19 zum erweiterten Kreis der Nationalmannschaft. Ich war über drei Jahre wöchentlich beim Auswahltraining der besten norddeutschen Nachwuchsakteure.

sj: Welche Spieler waren damals Ihre Auswahlkollegen?

Lück: Unter anderem André Breitenreiter und Francisco Copado. Ich bekam auch Angebote von größeren Klubs, da wollte ich aber nicht hin.

sj: Warum nicht?

Lück: Ich wollte unbedingt Abitur machen, da war der Fußball nie wichtiger. Zudem hatte ich häufig Verletzungen. Oft habe ich mir in entscheidenden Saisonphasen meinen Bänderriss abgeholt. Im Herrenbereich war mir dann zu viel Verbissenheit und zu wenig Spaß. Ich habe aber noch gespielt, bis ich 31 war – in der 4. und 5. Liga.

sj: Dem Fußball sind Sie auch danach treu geblieben. Sie waren als Journalist tätig.

Lück: Ich habe nach dem Abitur parallel zum Fußball geschrieben. Ich wusste ja auch, wie es läuft, weil ich selbst gespielt hatte. Erst habe ich ausschließlich über Fußball berichtet, später dann auch über andere Sportarten. Ich hatte immer Interesse am Sport, aber noch mehr an den Menschen dahinter, wenn die eine spannende Geschichte erzählen konnten.

sj: Haben Sie das im Sportjournalismus nicht ausreichend umsetzen können?

Lück: Das Ende des Magazins Rund im Sommer 2007 war für mich eine Befreiung. Komplett weg vom Sportjournalismus, hin zu meinem Journalismus, wie ich ihn machen möchte, vielleicht Menschenjournalismus.

sj: Keine Sehnsucht nach den prominenten Namen? Sie haben immerhin als Sportreporter Lionel Messi interviewt (Foto: firo sportphoto/Augenklick).

Lück: Den wollte ich immer mal treffen, habe mein Ziel erreicht. Fußball wird mittlerweile viel zu wichtig genommen. Ich verspüre keinen Drang mehr, über Fußball zu reden oder zu schreiben, das wird ohnehin schon genug.

sj: Für Ihr erstes Buch waren Sie 20 Monate unterwegs und haben insgesamt 26 europäische Länder bereist. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Lück: Ich hatte immer vor, eine lange Reise zu machen, mit viel Zeit und ohne Ziel, mich einfach treiben lassen. Ich wollte mit dem Bus reisen, quasi mein Haus auf Rädern. Früher war ich viel mit dem Rucksack unterwegs, durch Südostasien, Mittelamerika oder Angola.

sj: In Ihren Büchern geht es um die sogenannten kleinen Leute. Haben Sie ein Faible für die Alltagswelt?

Lück: Ich mache Sachen, auf die ich Lust habe. Ich bin ein Geschichtensammler. Es sind Begegnungen mit Menschen auf Augenhöhe und keine Interviews. Echte Gespräche. Ich bin mindestens eine Woche da. Wenn ich merke, dass es nötig ist, dann bleibe ich noch ein paar Tage länger. Die Menschen, die ich besuche, sind ungewöhnlich, aber keine Freaks.

sj: Sie machen viele Lesungen. Gibt es wiederkehrende Reaktionen des Publikums?

Lück: Regelmäßig bekomme ich Anfragen, wie man den Menschen aus den Büchern helfen kann, wenn es denen finanziell nicht so gut geht. Da haben die Leser etwas mitgenommen. Das ist Wärme, die man nicht mit dem Thermometer messen kann.

sj: Wie finden Sie eigentlich Ihre Protagonisten?

Lück: Viele Geschichten sind durch Zufall entstanden. Oder ich lese selbst etwas in anderen Medien. Ich werde auch nach Lesungen angesprochen und bekomme Tipps.

sj: Haben Sie schon Pläne für ein neues Buch?

Lück: Es wird ein Deutschlandbuch mit 16 Geschichten aus 16 Bundesländern. Ich habe in den vergangenen Jahren bei meinen Lesungen quer durchs Land gemerkt, was für interessante Menschen hier leben.

Mit Oliver Lück sprach Clemens Gerlach
 
Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe Februar 2017 des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.