Aussteigerin Petra van Oyen – „Ich möchte zu keiner früheren Station zurück“

Serie „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“

22.07.2017 Petra van Oyen sagt über sich selbst, sie lebe bereits ihr viertes Leben: Sie spielte Profi-Tennis, war Sportjournalistin bei ZDF und RTL und PR-Beauftragte. Heute führt die 56-Jährige als Eigentümerin ein Stahlunternehmen mit 90 Angestellten und erklärt im sportjournalist-Interview, wieso sie mit dem Sportbusiness nicht mehr viel anfangen kann.
 
sportjournalist: Petra van Oyen, Sie waren Profisportlerin und Sportjournalistin – wie präsent ist Sport derzeit für Sie?

Petra van Oyen: In der Garage stehen ein paar wenige Pokale. Und ich würde gerne mal wieder Tennis spielen, aber ich habe momentan keine freie Minute. Medial verfolge ich Sport überhaupt nicht. Es kann sein, dass ich mal aus Versehen was sehe, aber ich wüsste nicht einmal, wer Nummer eins im Tennis ist. Nur wenn die „Sportschau“ am Samstag um 18 Uhr losgeht, dann finde ich das sehr beruhigend, obwohl ich auch da gar nicht richtig hinschaue. Da hängen einfach sehr viele Kindheitserinnerungen dran.

sj: Einen großen Teil Ihrer Kindheit haben Sie mit Tennis verbracht...

van Oyen: ... und ich habe viele Fehler gemacht. Ich hatte ein unglaubliches Talent. Aber ich habe es nicht genutzt, weil ich es eben auch nett fand, in Mailand einen Stadtbummel zu machen, statt im Park Runden für die Kondition zu drehen (Büro-Foto: Pavoy GmbH Paul van Oyen).

sj: Was ist für Sie aus Ihrer aktiven Phase geblieben?

van Oyen: Ich war in meiner Zeit ein Name in der Szene, aber ganz, ganz weit weg von Steffi Graf und solchen Damen. Aber ich habe viel von der Welt gesehen. Ich bewundere rückblickend meine Eltern für ihre Gelassenheit, ein 16-jähriges Mädchen nachts alleine in Südafrika in ein x-beliebiges Taxi zu irgendeinem Hotel einsteigen zu lassen. Oder all die Nächte, die ich in Amerika an Flughäfen verbracht habe, weil kein Flugzeug mehr flog! Ich an ihrer Stelle würde verrückt werden vor Angst.

sj: Sie waren noch sehr jung, als Sie zurückgetreten sind. Gab es dafür einen konkreten Anlass?

van Oyen: Ich hatte immer viele Verletzungen, die auch mit zu wenig und schlechtem Training zu tun hatten. Und mit einem – für einen Profisportler – schlechten Lebensstil. So, wie ich das gemacht habe, konnte ich keine große Nummer werden.

sj: Wie kamen Sie zum Sportjournalismus?

van Oyen: Nachdem ich aufgehört hatte, musste ich überlegen, was ich aus meinem Leben mache. Damals war Sport mein Ein und Alles und Fernsehen noch etwas Besonderes – das wollte ich versuchen. Ich habe beim ZDF hospitiert und war am Ende feste Freie, habe dort aber in erster Linie zugearbeitet. Deshalb bin ich irgendwann zu diesem damals kleinen, unbekannten Privatsender RTL gewechselt.

sj: Ein Kulturschock?

van Oyen: Als ich in Luxemburg vorgesprochen habe, hat man mir den Sender gezeigt: Der bestand aus einem angemieteten Haus und ein paar Containern im Hof, in denen sich die Sportredaktion befand. Beim ZDF war alles super organisiert, da gab es für jede Funktion eine eigene Abteilung. Aber ich hatte bei RTL natürlich auch eine andere Chance, denn von der Leitungs- und Satellitenbuchung über die Rechte-Verhandlungen bis zur Moderation habe ich dort alles gemacht. Das hat mich wahnsinnig weitergebracht, weil ich gelernt habe, Verantwortung zu übernehmen (Tennis-Foto: firo sportphoto/Augenklick).

sj: Hatten Sie Gestaltungsspielraum?

van Oyen: Und wie. Für die Übertragungen der großen Tennisturniere habe ich die alleinige Verantwortung getragen. Und damals hatten wir zum Beispiel die Idee – die heutzutage Standard ist – nicht mehr immer nur das Signal vom Center Court zu senden, das der Host Broadcaster anbot. So wurde das damals gemacht: Das Bild hast du genommen – oder du hast es bleiben lassen. Egal, wer da gespielt hat und ob das in Deutschland jemanden interessierte.

sj: Was haben Sie gemacht?

van Oyen: Wir haben mit der BBC gesprochen und gefragt, ob wir von anderen Plätzen auch ein Signal bekommen könnten. Und dann haben wir eben von dort übertragen.

sj: Wieso sind Sie dann in die Öffentlichkeitsarbeit von Audi gewechselt?

van Oyen: Weil ich mir als Frau im Sportfernsehen mit zunehmendem Alter Gedanken darüber gemacht habe, ob ich in dieser Funktion die nächsten Jahre überleben würde. Ältere Kolleginnen sind die absolute Ausnahme.

sj: Aber Sie wechselten damit auch erneut die Seiten. Hat es Sie gestört, dass Sie aus Sicht eines Unternehmens berichten mussten und nicht mehr ganz frei waren?

van Oyen: Da muss man stark unterscheiden zwischen eigenen Aktivitäten und denen, die wir gesponsert haben. Bei letzterem ging es in erster Linie darum, die Marke so in den Meldungen zu platzieren, dass sie relevant war und mitgedruckt wurde. Bei den Motorsport-Aktivitäten war es meine Aufgabe, nicht alles preiszugeben. Denn ich hatte natürlich wesentlich mehr Informationen darüber, was für einen Ausfall beim Rennen verantwortlich war, als kommuniziert werden sollte.

sj: Warum ausgerechnet ein Autokonzern?

van Oyen: Ich wollte gerne in die Industrie, und Motorsport lag mir schon beim Fernsehen. Ich gehörte zum Management und habe meine kleine Abteilung ein bisschen wie ein kleines Unternehmen im Unternehmen geführt.

sj: Seit 2004 führen Sie ein Stahlunternehmen, wie kam es dazu?

van Oyen: Mein Vater verstarb 2001 überraschend und hinterließ mit der Firma sein Lebenswerk. Nachdem es mit externen Geschäftsführern nicht funktionierte, gab es nur noch die Möglichkeit, den Laden zuzumachen – oder es selbst zu versuchen. In einer strukturschwachen Gegend wie der Eifel hingen da knapp 70 Leute mit ihren Familien dran. Ich hatte wirklich überhaupt keine Ahnung, aber heute sehe ich, dass das auch nicht nötig ist. Ich muss nicht wissen, wie man einen Stahlschrank baut – ich muss nur die kennen, die das können.

sj: Sie waren als Aktive und Journalistin permanent unterwegs, in Ihrem Unternehmen setzen Sie sich jeden morgen an denselben Schreibtisch. Haben Ihnen die Reisen nie gefehlt?

van Oyen: Im Gegenteil. Es war unglaublich schön, endlich mal nicht immerzu in anderen Betten schlafen und ständig Koffer ein- und auspacken zu müssen. Ich habe es absolut genossen, zur Ruhe zu kommen. 13 Jahre später hätte ich gerne die Zeit, mal wieder rauszukommen und einen Urlaub zu machen. Aber die Raserei von Land zu Land wollte ich auch heute nicht mehr.

sj: Hat Sie Ihr beruflicher Werdegang verändert?

van Oyen: Ja, und ich bedaure, dass ich die menschliche Wandlung nicht schon früher erlebt habe. Als Profisportler und vielleicht auch als Fernsehjournalistin war es nötig, ichbezogen zu handeln und zu denken. Das ist heute nicht mehr so. Mehr als mein beruflicher Weg hat dazu aber mein erster Hund beigetragen, den ich vom Tierschutz hatte. Heute dreht sich in meinem Leben alles um meine Mitarbeiter und mein Engagement für Tiere.

sj: Welches Ihrer Leben ist Ihnen das liebste?

van Oyen: Jedes hatte seine Zeit. Aber ich möchte zu keiner früheren Station zurück – es ist alles gut, wie es ist.

Mit Petra van Oyen sprach Katrin Freiburghaus

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe Juni/Juli 2017 des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.