„Ich war einigermaßen skeptisch“

Gladbach-Mediendirektor Markus Aretz im Interview – Teil I

19.09.2017 Seit 1999 leitet Markus Aretz Borussia Mönchengladbachs Medienabteilung, er ist länger dabei als jeder andere seiner Bundesliga-Kollegen. Im sportjournalist spricht der Kommunikationsdirektor, Jahrgang 1966, über seine Anfänge beim VfL und intelligente Spieler als Interviewpartner.
 
sportjournalist: Markus Aretz, wie wird man Pressesprecher von Borussia Mönchengladbach?

Markus Aretz: Als Sportredakteur der Rheinischen Post habe ich in den 1990er-Jahren über die Borussia berichtet und war dadurch im Verein bekannt. Im Frühjahr 1999 drohte dem Klub neben dem Abstieg in die 2. Liga auch die Insolvenz. Die Vereinsführung wurde komplett ausgetauscht, der Verein war wirtschaftlich am Boden. In diesem Zeitraum sprach mich der neuberufene Geschäftsführer Stephan Schippers an, ob ich mir nicht vorstellen könne, als Pressesprecher der Borussia anzufangen.

sj: Und Sie sagten begeistert zu?

Aretz: Ich war doch einigermaßen skeptisch. Mein Job bei der RP war damals wesentlich krisensicherer als der Posten bei der Borussia. Ich war mir auch nicht sicher, ob ein Seitenwechsel von Redaktion zu Verein vielleicht zum damaligen Zeitpunkt zu früh wäre. Ich war erst 32 und noch nicht so lange Redakteur. Andererseits reizte es mich natürlich sehr, für „meinen“ Verein zu arbeiten und in der neuen Funktion vielleicht mitzuhelfen, den Klub wieder auf Kurs zu bringen.

sj: Immerhin waren Sie als Sportredakteur erfahren im Umgang mit Pressesprechern.

Aretz: Gar nicht so sehr. Da ich mich vorrangig um die Borussia gekümmert hatte, war ich eigentlich nur mit meinem Vorgänger Holger Rathke in Kontakt.

sj: Wie sah Ihre Aufbauarbeit aus?

Aretz: Ich habe damals versucht, so schnell wie möglich die Strukturen kennenzulernen, und ich habe den Austausch mit den Journalisten gesucht. Ich wollte wissen, wie sie sich die Zusammenarbeit mit dem Klub wünschten und gleichzeitig ein vertrauensvolles Verhältnis aufbauen. Über allem standen damals allerdings die wirtschaftliche Schräglage und das Bemühen bei allen Mitarbeitern des Vereins, den Klub wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen.

sj: In den Zeitraum Ihres Amtsantritts fällt auch der Beginn der digitalen Revolution. Wie haben Sie den Übergang der analogen Medien hinüber ins Internet-Zeitalter miterlebt?

Aretz: Als ich anfing, hatten wir das Stadionheft Fohlenecho, das war alles an vereinseigenen Medien. 2000 gingen wir mit der Homepage online, auf der wir dann vielleicht zwei- oder dreimal in der Woche etwas veröffentlichten. Das steckte alles noch in den Kinderschuhen. Die wirkliche digitale Revolution kam erst später mit dem Aufkommen der Sozialen Meden.

sj: Die Zahl der berichtenden Medien ist durch das Internet extrem gestiegen. Hat das tatsächlich einen Einfluss darauf, wie sich Fußballer heute in den Medien geben?

Aretz: Ich glaube, die Charaktere an sich haben sich nicht groß verändert. Heute wie damals gibt es Fußballer, die mit den Medien besser oder schlechter klarkommen. Allerdings lernen die Spieler heute schon von klein auf den Umgang mit den Medien, sie übernehmen Dinge, die sie im Fernsehen gesehen haben und sie sind vorsichtiger geworden, weil sie wissen, wie schnell in den digitalen Medien aus einer Mücke ein Elefant werden kann (Foto Markus Aretz, rechts, mit dem ehemaligen Gladbacher Trainer Lucien Favre: firo Sportphoto/Augenklick).

sj: Vorsichtiger heißt langweiliger?

Aretz: Das würde ich nicht sagen. In ihrem Privatleben müssen die Spieler heute aber vorsichtiger sein. Wenn früher einer unserer Spieler mal auf ein Bier in der Kneipe war, wurde er höchstens von einem missgünstigen Fan via Telefon beim Geschäftsführer verpetzt. Heute wäre das Foto eines Spielers an der Theke gleich auf sämtlichen Kanälen. Deshalb spielt sich das soziale Leben der Spieler zwangsläufig immer mehr hinter verschlossenen Türen ab.

sj: Welche Spieler konnten Sie in Ihren ersten Jahren bedenkenlos in jedes Interview schicken?

Aretz: Da gab es bei Borussia viele – Max Eberl, Arie van Lent, Uwe Kamps oder Peter Nielsen, um nur ein paar zu nennen. Die waren intelligent und reflektiert und hatten kein Problem, über sich und ihren Job zu sprechen. Aber natürlich gab es auch andere, die dies nicht so gerne getan haben.

Mit Markus Aretz sprach Alex Raack. Lesen Sie im zweiten Teil des dreiteiligen Interviews, weshalb aus Sicht von Markus Aretz die Fußballprofis heutzutage keinesfalls so „weichgespült“ im Umgang mit Medien sind, wie es ihnen häufig vorgeworfen wird.

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe August/September 2017 des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.