Preisträgerprojekt Streetbolzer für Integration und Toleranz

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28.12.2015 Die Deutsche Akademie für Fußball-Kultur vergibt nicht nur einen Preis für den „Spruch des Jahres". Auch Sozialprojekte werden ausgezeichnet. Dieses Mal gewann eine Kinder- und Jugendfußball-Initiative aus Kassel.
Autor: Clemens Gerlach
Im Programm des Norddeutschen Rundfunks gab es vor lange Zeit die Radiosendung „Einmal Moderator sein“. Klar, verglichen mit heute, wo jeder Sender, jeder Verlag, eigentlich jeder, der irgendetwas mit Medien oder erwerbsorientierter Kommunikation zu tun hat, permanent dabei ist, das Publikum einzubinden, war es ein harmloser Versuch, sich seinen Zielgruppen zu öffnen.

In diesem Fall ging es um jugendliche Hörer. Die konnten sich bewerben und durften, wenn sie Glück hatten, ausgewählt zu werden, nämliche Sendung moderieren und auch Musik ihrer Wahl spielen. Schräges oder Abseitiges war dabei, manchmal aber auch jenes Mainstream-Zeugs, das eh schon tagein tagaus im Radio zu vernehmen war.

Eine Chance für die Jugend – aber eine echte

Schon damals, es waren wohl die 1980er Jahre, gab es unterschiedliche Einstellungen zu diesem Jugendkonzept. Der Profi-Moderator Detthard Fissen, der den Jung-Moderator (auch technisch) unterstütze, mühte sich nach Kräften, konnte es aber – natürlich - nicht allen recht machen. Er kassierte den einen oder anderen hämischen Kommentar, heute in potenzierter Form als „Shitstorm“ bekannt.

Einmal wurde ein Telefon-Anrufer, der während der Sendung durchklingelte, richtig böse, vielleicht war der sogar bösartig. Der junge Hörer jedenfalls verpasste Fissen die volle Dröhnung. Die war nicht weniger verletzend, weil sie in Reimform daherkam und – zumindest in puncto Anrede – durchaus zivilisierten Umgangsformen entsprach.

Der Diss klang dann so, wenn die Erinnerung des Autoren nicht trügt: „Herr Detthard Fissen / Sie müssen wissen / Ihre Sendung ist beschissen.“ Tja, der Angesprochene blieb ganz ruhig. Er wusste, dass derjenige, der sich mit der Jugend einlässt, hart im Nehmen sein muss. Sonst kann man es auch gleich sein lassen. Ein Nachwuchs, der wie die Alten ist, ist keiner. Darum, nach ein paar Jahrzehnten, das Dankeschön eines früheren Hörers: „Herr Detthard Fissen / Sie sollen wissen / Ihre Sendung mochte ich nicht missen.“

Dank YouTube und anderer Kanäle kann im Prinzip jeder Programmmacher sein

Heutzutage ist es – zum Glück – viel einfacher, dass junge Menschen senden, produzieren und sich der Welt mitteilen können. Selbstverständlich gibt es auch in diesem Segment viel Mist, das spricht aber nicht gegen den Gedanken als solchen (sonst könnte man, nein müsste sogar den Bahnhofsbuchhandel stante pede verbieten).

Auch bei YouTube sind viele Nachwuchskräfte am Werk. Sie drehen Videos und laden diese hoch. Die Beiträge haben oftmals den Charme des Unfertigen. Es ist zu spüren, dass die Mädels und Jungs mit Liebe und Enthusiasmus dabei sind. Das zählt mehr als technische Perfektion. „Streetbolzer TV" ist dafür ein gutes Beispiel.

„Kinder und Jugendliche begleiten die Straßenfußballliga von Streetbolzer e.V. medial und präsentieren ihre Filme auf dem eigenen YouTube-Kanal“, heißt es auf der Website der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur. Diese zeichnete unlängst das Projekt mit dem Bildungspreis „Lernanstoß" aus, insgesamt war es die zehnte Auflage.

„Kick Rechts weg“ und andere Turniere

Streetbolzer fördert die Entwicklung junger Menschen und organisiert seit 2008 den Straßenfußball im Großraum Kassel für Kinder und Jugendliche beiderlei Geschlechts im Alter von 10 bis 20 Jahren. Dazu gehören auch Turniere wie „Kick Rechts weg“. Der Förderpreis ist mit 5000 Euro dotiert, viel Geld für ein soziales Projekt.

„Es bedeutet uns außerordentlich viel, dass unser langjähriges Engagement öffentliche Anerkennung erfährt", freut sich Gründer Mustafa Gündar. Der Vereinsvorsitzende wurde 1967 im türkischen Maras geboren, kam als 21-Jähriger nach Kassel und studierte später. Gündar, inzwischen Medienpädagoge und Filmemacher, weiß also, wie es ist, sich in einer fremden Kultur zurechtfinden zu müssen.

Der Migrantenanteil ist auch unter Kassels Straßenfußballern sehr hoch, die Probleme sind vielfältig, fast immer Sprachdefizite und Ausgrenzung. Umso wichtiger ist die integrative Arbeit. Das Ziel: Konflikte friedlich und konstruktiv lösen zu lernen. Eine gute Sache. Nicht nur in Nordhessen.