Liga Lourdes

Kolumne „Ansichtssache“

15.05.2017 Zu einem Fußballspiel gehören Zweikämpfe. Oftmals kommt es in diesen zu einem Körperkontakt – und zu spontanen Wunderheilungen. Denn gerade noch schwer leidende Spieler sind plötzlich wieder putzmunter.
Autor: Wolfgang Uhrig
Neulich im Fernsehen. Ein bekannter Stürmer kurvt von außen nach innen, vor dem Sechszehner bleibt er an einem nicht minder prominenten Abwehrspieler hängen. Der Angreifer fällt, schreit und gestikuliert.

Wir erleben immer wieder diese ergreifenden Szenen im Grenzbereich zwischen Leben und Tod. Durch Bilder aus Stadien, wo Männer, in der Blüte ihres Lebens stehend, wie von unsichtbarer Faust getroffen zusammenbrechen und auf dem grünen Rasen schmerzverzerrt liegen bleiben. Ärzte haben noch nicht ergründen können, warum sich derartige Unglücksfälle meist unweit der beiden Tore ereignen.

In der Frühphase eines solchen Schicksalsschlages lassen sich humanmedizinisch zwei Arten von Patienten unterscheiden. Die eine Sorte wälzt sich bei klarem Bewusstsein laut stöhnend am Boden, so dass durchaus Hoffnung auf Lebensrettung besteht. Die zweite Gattung bleibt völlig ton- und reglos liegen, weshalb mit dem Schlimmsten gerechnet werden muss (Uhrig-Foto: Maria Mühlberger).

Zur Hilfe kommt ein aufs Feld stürmender Pfleger. Seine häufigsten Heilmittel sind ein nasser Schwamm oder ein kaltes Spray. Damit pflegt er sicherheitshalber gleich mal mehrere Körperteile, weil in diesem Stadium des Leidens der am Boden liegende Spieler oft nicht mehr sagen kann, wo der Schmerz denn nun wirklich sitzt.

Und dann – schwuppdiwupp! – ist der scheinbar Schwerstverletzte wieder auf den Beinen. Er jault noch einmal kurz auf, beim zweiten Schritt hinkt er bereits auf dem falschen Bein, beim dritten Schritt bringt er sich wieder in Stellung, flink wie eine Gazelle.

Die Geschichte der Heilkunde weiß von vielen berühmten Ärzten zu berichten. Von Hippokrates und Galenus, von Versalius und Paracelsus, von Auenbrugger und Sauerbruch. Doch sie alle werden heutzutage von unseren Wunderheilern auf den Fußballfeldern übertroffen, den so genannte Physios. Lourdes ist überall – und immer wieder besonders auf den Plätzen der Fußball-Bundesliga.

Die Kolumne „Ansichtssache“ schreibt Wolfgang Uhrig für den Verein Münchner Sportjournalisten. Wir danken den VMS-Kollegen für die großzügige Überlassung der Texte.