Wie der Rechte-Deal den freien Fernsehzugang verändert

Debatte um Olympia-Berichterstattung

27.05.2016 Die olympische Zukunft könnte für deutsche Fernsehzuschauer düster aussehen. Dies befürchtet der ehemalige ZDF-Paralympics-Teamchef Peter Kaadtmann und übt deshalb Kritik an Eurosport.
 
Das IOC-Rechteabkommen für Europa mit dem US-Medienkonzern Discovery Channel führt möglicherweise zur größten Verwerfung in der Olympia-Berichterstattung in Deutschland. Sogar ein Rückfall in die 1960er- und 1970er-Jahre steht zu befürchten. Die deutschen Sportverbände haben folgerichtig den Abschluss geradezu bestürzt aufgenommen.

Die Bemerkung von Werner Starz (Produktentwickler Eurosport) bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin lässt aufhorchen: „Bei Eurosport wird der Zuschauer aushalten müssen, dass wir nicht den ganzen Tag Schwarz-Rot-Gold eingestellt sind.“ Was man von Eurosport erwarten kann oder darf, zeigen unter anderem die jährlichen Übertragungen von der Tour de France, nur ein Beispiel für eines der weltweit wichtigsten Sportereignisse – trotzdem mit nur mäßig dem deutschsprachigen Publikum angepasstem Kommentar. Daneben aber vornehmlich Englisches in den ergänzenden Berichten und Interviews, die nur notdürftig übersetzt werden. Dazu noch ständig und ausgesprochen lange unterbrechende Werbung, die jegliche Dramaturgie und Kontinuität zerstört (Kaadtmann-Foto: ZDF).

Die Tour ist aber nur ein Einzelereignis. Das Rennen von Start bis Ziel. Wie soll aber aus dem überbordenden täglichen Olympia-Angebot im Verbreitungsgebiet von Eurosport ein für alle Länder befriedigendes Programm zusammengestellt werden, das nur annähernd auf nationale Zuschauerbedürfnisse eingehen kann? Werner Starz hat es beantwortet. Gar nicht!

Die Leistung der öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF ist dagegen ziemlich einmalig und kann weltweit ohnehin nur von ganz wenigen Sendern erbracht werden: Ein vorwiegend live ausgestrahltes, differenziertes, in diesem Fall ein allen deutschen Aspekten gerecht werdendes Programm. Der Vorteil: Aus allen bei Olympischen Spielen mittlerweile live vorliegenden Fernsehbildern sämtlicher Wettkampfstätten werden diejenigen ausgewählt, die erfahrungsgemäß hierzulande auf größtes Interesse stoßen.

Übertragung in HD bei Eurosport nur gegen Extragebühren

Darüber hinaus werden zusätzlich möglichst alle deutschen Teilnehmer berücksichtigt, ob in Premium- oder Randsportarten, ob in Vorrunden oder im unmittelbaren Kampf um die Medaillen. Dafür sorgen außerdem etliche zusätzliche Kameras in den wichtigsten Hallen und Stadien, jeweils eine deutsche Regie, Reporter, Kommentatoren und Moderatoren am Ort. Nicht zu vergessen die angebotenen Livestreams, in denen über mehrere Onlinekanäle besonders die Spielsportarten ganztägig und ergänzend zu den Fernsehausstrahlungen gezeigt werden. Nicht unwichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Übertragung in HD, die Eurosport lediglich gegen Extragebühren bereitstellt. Nicht nur hier wird zur Kasse gebeten. Außer in Deutschland ist Eurosport ein Bezahlsender. Und selbst in Deutschland ist nur Eurosport 1 frei empfangbar.

Wenn schon eine erhebliche Minderleistung gegenüber dem Status quo angekündigt wird, wirft das die Frage auf, ob Discovery in Europa mit Eurosport wirklich in neue Formen und Dimensionen der Olympia-Übertragungen vorstoßen kann? Skepsis ist berechtigt, zumal die beiden öffentlich-rechtlichen deutschen Kanäle bisher offenbar alle Möglichkeiten voll ausgereizt haben. Oder ist daran gar nicht gedacht? Ist der immens teure Rechteerwerb gar ein Geschäftsmodell? Ein hochspekulatives, ausgehend von der Erwartung, die Sublizensierung unter anderem an die bisherigen deutschen Sender – unter welchen Rahmenbedingungen auch immer – böte eine renditeträchtige Refinanzierung?

Ein weiterer Gesichtspunkt: ARD und ZDF sahen Olympische Spiele und Paralympics (Foto: bisher immer als eine Gesamtheit. Für die Paralympics führte das nicht nur zu einer erkennbaren Erweiterung der Sendezeiten seit Sydney 2000, sondern auch zu einer gewissen Gleichrangigkeit (unter anderem Sendungen aus dem identischen Studio), damit zu erhöhter Aufmerksamkeit und Aufwertung. In der qualitativen Zuschaueranalyse rangierten die Übertragungen bisher sogar vor denen der Olympischen Spiele. Wenn nun trotz positiver Entwicklung Sendungen von den Paralympics von 2018 an besonders gefährdet sind, liegt das an den nun allein anfallenden hohen Produktionskosten, weil keine Synergien mit dem Olympia-Aufwand möglich sind.

Beschämend ist, wie sich Dach- und Spitzenverbände des Sports stets zwischen die Mühlsteine von Geschäftsinteressen begeben. Die wie eine Sintflut über uns hereinbrechende Kommerzialisierung schwemmt jene Ideale, die gerne in hehren Agenden proklamiert werden, mit sich fort. Die offenkundige Gier nach Geld, Macht und Ruhm ebnet den Weg für die allseits bekannten Missstände im und um den Sport.
Wer spekulativ antretenden Investoren (und Produktmanagern) die Türen öffnet, will das offensichtlich so.

Peter Kaadtmann war bis zu seinem Ruhestand am 1. Oktober 2015 beim ZDF zuständig für Übertragungen, unter anderem der Paralympics und der Tour de France.

Lesen Sie morgen die Entgegnung des Eurosport-Produktentwicklers Werner Starz auf Peter Kaadtmanns Kritik.