Deutsch? Ein Feierabend-Dialekt!

Sieg des Denglischs

27.09.2016

„Voll im Hype“ oder wie das Englische unsere Muttersprache verhunzt. Leider gibt es wohl kein Entrinnen mehr. Der Siegeszug des Denglischs ist nicht zu stoppen.

Autor: Wolfgang Uhrig

Das musste ja so kommen bei unseren Nachbarn, den Franzosen. Die ihre „Marseillaise“ mit Inbrunst singen und wo im Geschäft mit der Musik eine Quote in der Landessprache Vorschrift ist. Da passt es ins Bild, dass dort ein Gericht einen Ableger des US-Konzerns General Electric zu 580.000 Euro Strafe verurteilte – das Unternehmen benutzte im Umgang mit seinen Beschäftigten zu oft die englische Sprache. Die Klage reichte der Betriebsrat ein, an den mehr als die über eine halbe Million zu zahlen war.

Klar ist das ein Thema für die Zeitschrift Deutsche Sprachwelt. Dort stand dazu in der Überschrift „Erst sprachlos — dann arbeitslos“, es folgte die Unterzeile: „Wenn die Muttersprache geht, verschwinden auch Arbeitsplätze.“ Tja, wo sind wir eigentlich, wenn der „Human Resource Manager“ den „City Call“ auf seinem Handy beendet und den „Service Point“ anstrebt? Na klar: in Deutschland natürlich!

„Immer mehr Menschen sind genervt von der Anglizismen-Flut, mit der Werber, Firmen und Medien unseren Alltag und unsere Sprache überschwemmen“, stellt Wolf Schneider fest, unter anderem einst Leiter der Nachrichtenredaktion der Süddeutschen Zeitung und deren Korrespondent in Washington, ausgezeichnet mit dem „Medienpreis für Sprachkultur“. Schneider, viele Jahre Leiter der Henri-Nannen-Journalistenschule, hat ein ganzes Buch gefüllt mit seinem Appell: „Speak German, warum Deutsch manchmal besser ist“ (Kimmich-Foto: firo Sportphoto/Augenklick).

So löblich die Verteidigung der eigenen Sprache nun ist – die weltweite Entwicklung geht in eine andere Richtung. Der Europa-Politiker Günther Oettinger sagte einmal frank und frei im Radio, dass er in der deutschen Sprache lediglich den Rang eines Feierabend-Dialekts sieht. Oettinger: „Deutsch bleibt die Sprache der Familie, der Freizeit. Die Sprache, in der man Privates liest, aber Englisch wird die Arbeitssprache.“ Darauf die Deutsche Sprachwelt: „Are you crazy, Herr Oettinger?“

Zu Oettinger, EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, genügt ein Blick auf den Stellenmarkt im Anzeigenteil unserer Zeitungen. Dort wimmelt es von Wortungetümen, wenn Menschen gesucht werden für Positionen wie „Customer Support Supervisor“, „Loan Asset Manager“, „Key Acount Sales Manager“, „Commission Driven Territory Director“.

Leute, die sich angesprochen fühlen, müssen meist etwas verstehen von „Cashflow“ oder „Outsourcing“ oder „Shareholder Value“. Wohl dem, der sich angesprochen fühlt – der Fachmann staunt, der Laie wundert sich. Und so weiter, immer dem „Mainstream“ entlang. Dazu der Spiegel: „In der Werbung werden englische Sprüche nicht einmal von der Hälfte der Konsumenten verstanden.“

So sei beim Autokonzern Ford „Feel the difference“ unter anderem mit „Fühle das Differential“ oder „Ziehe die Differenz ab“ übersetzt worden. Den Jaguar-Spruch „Life is gorgeous“ (Leben auf der prächtigen Seite, so ungefähr, aber schon auf Englisch etwas eigenwillig) verstanden laut Spiegel acht Prozent. Der schönste Spruch war „Leben in Georgien“ (Ford-Foto: Kunz/Augenklick).

Da hört man dann vielleicht auch, dass „Underdog“ mit Unterrock gemeint ist, „Drop-out“ mit Bonbonautomat. Oder „Patchwork“ sei eine Fliegenklatsche, „Hospitaly Zone“ eine Abteilung im Krankenhaus und „City Dressing“ eine Salatsoße.

Aber auch andere sind „voll im Hype“ der neuen Sprache. Zum Beispiel der sportjounalist, das Magazin des Verbands Deutscher Sportjournalisten, mit einer Personalie zum Namen Haruka Gruber. Danach wechsele der VMS-Kollege aus München „innerhalb der Perform die Divison“, er sei künftig „Commercial Content & Planning Director“. Wow, Glückwunsch zu so einem Titel – nur: Was steckt eigentlich drin in so einem neuen Direktor?

Selbst Wikipedia, dieser Mörder unseres guten alten Lexikons, gibt darauf keine Antwort. Immerhin weiß der Sportleser inzwischen bescheid bei einem Buchstabensalat wie dem „getapten“ Muskel, wenn der Gegner im Tennis „gebreakt“ wird, der Ball „gesmashed“ oder der Verein einen „Backup“ verpflichtet.

Wenn Mannschaften „gebrieft“ werden in einem „Brainstorming“, wenn es in der Formel 1 um die „Pole Position“ geht, die Premiere der neuen Fahrer ein „Blockbuster“ ist. Überall liegen „Big Points“ rum, bei „Mega-Events“ und „Top Acts“ – and so on, äh, und so weiter.

In der Fußball-Bundesliga ist Joshua Kimmich „voll im Hype“, dem kriselnden Werder Bremen (Fußball-Foto: firo Sportphoto/Augenklick) droht durch den Abstieg das „Worst-Case-Szenario“. Es gibt keinen Vertrag mehr, nur noch einen „Kontrakt“. Für die Reihenfolge steht „Ranking“, für den Austragungsort „Location“, für Preis „Award“, für Veranstalter „Organizer“, für Leistungsfähigkeit „Potenzial“, Künstler gehen auf ihre „Crossover-Tournee“.

Am Anfang der Qualität im Journalismus steht das Wort. Die Sprache, in der wir 26 Buchstaben des Alphabets aneinanderreihen, auf dass sie in Form von Artikeln, Reportagen, Kolumnen die Leser erreichen. Und wir als Journalisten haben die Mitverantwortung für eine verständliche Sprache, die Millionen von Menschen lesen oder hören. „Die deutsche Sprache ist an sich reich“, soll vor über 160 Jahren Heinrich Heine gesagt haben. Doch im Wald der englischen Wörter droht heutzutage längst ein Ausverkauf der vielen tausend bildhaften Umschreibungen, die unsere Muttersprache so schön machen.

Für Professor Dr. Walter Krämer, Vorsitzender des Vereins Deutsche Sprache, ist das Maß voll. „Was bei uns passiert, diese Verhunzung der Sprache“, zitierte ihn einmal die Deutsche Presse-Agentur im Vergleich zum Umgang der Franzosen mit dem Englischen, „finden sie in Frankreich peinlich. Dort sieht man die Deutschen als Arschkriecher der USA und Englands.“

Dieser Text erschien zuerst in der Publikation VMS INFO 2016 des Vereins Münchner Sportjournalisten. Wir danken den Kollegen für die großzügige Überlassung.