„Früher war alles gleichberechtigt“

Pressesprecher-Report – Teil II

22.02.2017 Die Arbeit der Journalisten wird immer komplizierter. Das hat auch damit zu tun, dass es inzwischen deutliche Unterschiede in der Behandlung der einzelnen Redaktionen gibt. Rechteinhaber genießen Vorteile.
Autor: Katrin Freiburghaus
Im ersten Teil des dreiteiligen Pressesprecher-Reports ging es um die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Berichterstattern und den Medienabteilungen der Vereine.

Auch der ehemalige Bayern-Medienchef Markus Hörwick hat kein Interesse an einer Generalkritik, sondern äußert Verständnis für den gestiegenen Leistungsdruck unter den Kollegen. „Journalisten haben es in einer konkurrierenden Medienlandschaft heute wesentlich schwerer als vor 15, 20 Jahren. Der Job ist gnadenlos geworden, und deshalb müssen sie ihn so leben – aber das wissen die Vereine auch“, sagt er.

Die Gespräche sind von auffallendem Verständnis für die jeweilige Gegenseite geprägt. Was harmonisch klingt, ist aber im Grunde eine bedauerliche Entwicklung: Denn Verständnis für die Gegenseite kann nur haben, wer sie als Gegenseite wahrnimmt. Die Beziehung zu ihren zuständigen Medienabteilungen werden von den meisten Journalisten als kollegial und intakt beschrieben, doch es schwingt ein Grundmisstrauen mit, das sich nicht wegdiskutieren lässt. „Die Vereine sagen immer: ‚Ihr habt euch verändert und deshalb müssen wir uns auch verändern.‘ Das ist ganz klar ein Teil der Wahrheit“, sagt Sebastian Wolff, langjähriger HSV-Reporter des Kicker (Foto: Kicker).

Mark Ludwig vom Institut für Kommunikations- und Medienforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln bestätigt die Entfremdung, sieht sie aber als logische Folge eines in vielen anderen Bereichen gewollten Fortschritts. „Es war früher nicht alles besser, aber anders. Es gab viel weniger Medien und insgesamt nicht so viel Kommunikation. Das hat sich extrem professionalisiert“, sagt er. Es seien dadurch viele Abläufe „transparenter geworden, aber keine Entwicklung hat nur Vorteile“.

Hauptursache für die Distanz ist neben der Schnelligkeit auf den unterschiedlichsten Verbreitungswegen die Vielzahl an Berichterstattern. Wenn der Trainer eines Fußball-Bundesligisten vor 15 Jahren den Raum zur Presserunde betrat, traf er zumeist auf gar nichts Rundes, sondern maximal auf ein Viereck. „Da waren beim HSV drei, vier Leute. Wir hatten täglich unsere Trainerrunde in einem Besprechungszimmer, das war völlig unkompliziert. Und wenn es noch was gab, haben wir einfach noch mal angerufen“, erinnert sich Wolff. Spieler seien nach dem Training einfach auf dem Parkplatz angesprochen worden.

Seit die sozialen Netzwerke so populär geworden sind, hätten vor allem die vertraulichen Gespräche drastisch abgenommen, „weil die Flut an Kollegen, die auch bei diesen Gesprächen drumherum standen, unübersichtlich wurde“, wie Wolff sagt. Er kann den Rückzug unter diesen Umständen nachvollziehen, obgleich er ihn bedauert. „Es stehen eben oft Leute mit dabei, die das Diktiergerät reinhalten und ausnahmslos alles veröffentlichen. Dadurch ist das entspannte Gespräch auf dem Parkplatz entfallen, in dem ein Spieler auch mal unter drei erzählt hat, wie es ist“, sagt er.

Doch nicht nur Spieler und Trainer scheuen den unmittelbaren Kontakt mit einer schwer zu überblickenden Zahl von Kollegen, auch die Vereine selbst reagieren nervös auf die unübersichtliche Lage: zunächst durch Kategorisierung und im nächsten Schritt Priorisierung von Medien, die im Zuge der Vermarktung als Zahler ganz oben auf der Liste stehen. Diese Entwicklung stellt auch die Presseabteilungen vor Herausforderungen, die es in der Vergangenheit nicht gab.

„Früher war alles gleichberechtigt, heute gibt es Medienrechte. Das Fernsehen kauft ein, das Radio kauft ein – und damit haben sie Prioritäten. Da ist das Marketing im großen Stil in die Medienlandschaft eingedrungen“, sagt Hörwick, „das hat es für uns komplizierter gemacht.“ In seinen Anfangsjahren habe er sich als „reinen Kommunikationsmenschen“ betrachtet, der „die Menschen zusammengebracht hat“. Wenn sich beim Treffen niemand gestritten habe, sei es ein guter Tag gewesen. Heute müsse man dagegen schauen, „wer überhaupt zusammenkommen darf und wer Priorität hat“.

Lesen Sie im dritten und letzten Teil des Pressesprecher-Reports, wieso kritischer Journalismus immer schwerer umgesetzt werden kann, aber extrem wichtig ist.

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe Oktober 2016 des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.