Ein Armutszeugnis

Rückzug des BMI vom Fair-Play-Preis

01.11.2016 Das Bundesministerium des Inneren will sich nicht mehr am Fair-Play-Preis des Deutschen Sports beteiligen. Die Entscheidung ist nicht nur falsch, sie ist eine Blamage – für das BMI, urteilt Jurymitglied Albert Mehl in seinem Kommentar.
 
Fair Play ist, wenn der Minister klatscht. Zugegeben, eine verkürzte und überspitzte Formulierung. Aber eine treffende Beschreibung des Rückzugs des Bundesministeriums des Inneren (BMI) vom Fair-Play-Preis des Deutschen Sports. Dieser ist vor wenigen Tagen erfolgt. Der Grund: Die in diesem Jahr praktizierte Verleihung des Preises im Schloss Biebrich war den Verantwortlichen des BMI in Berlin nicht mehr würdevoll genug, vielleicht sogar zu popelig.

Die Verleihung des Fair-Play-Preises habe nicht zuletzt durch die Verlegung des Ortes der Übergabe sein Ziel und seine Wirkung nicht mehr erreicht. So heißt es in einem Schreiben von Ministerialdirektor Gerhard Böhm an Erich Laaser als Präsident des Verbandes Deutscher Sportjournalisten (VDS). Das sei ein „falsches Signal“, beurteilt Laaser die Entscheidung des BMI (Mehl-Foto: privat).

Das ist nicht nur ein falsches Zeichen, das ist ein Armutszeugnis für das Ministerium von der Spree. Denn vor vier Jahren erst war es gelungen, zusammen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) die vorherigen Aktionen im Zeichen der Fairness im Sport zu bündeln und nur noch einen deutschen Fair-Play-Preis zu vergeben.

Selbstverständlich kann es unterschiedliche Ansichten über die Art und Weise der Verleihung geben. Nahezu ideal war sicherlich die Übergabe im Vorfeld des jeweiligen DOSB-Bundestags. Die beiden Auftakt-Veranstaltungen in Wiesbaden (2013) und Dresden (2014) boten eine gelungene Bühne, um den Fair-Play-Gedanken ins rechte Rampenlicht rücken zu können. Da aber der DOSB nicht weisungsbefugt gegenüber seinen Landessportbünden ist und der niedersächsische Verband im Vorjahr der Fortführung der vorherigen Praxis eine Absage erteilte, mussten ein neuer Ort und eine neue Form des Festakts gesucht werden. Und wurde gefunden.

Das Biebricher Schloss, idyllisch am Rhein in Wiesbaden gelegen, ist nicht nur von außen eine prächtige Kulisse für die Zeremonie. Die Deutsche Olympische Akademie (DOA), die dort ihre Biebricher Schlossgespräche veranstaltet, ist zudem ein formidabler Ausrichter. Das hat die Veranstaltung Anfang März, als die Damen-Mannschaft des Tauziehclubs Allgäu-Power Zell und die erst 18-jährige Übungsleiterin Leonie Remfort aus Wittmund ausgezeichnet wurden, bewiesen (Foto: DOA).

Und gerade die DOA, die trotz des Fußball-Hypes und der Mammon-Dominanz sowie nicht enden wollender Doping- und Korruptions-Affären im deutschen Sport das Fähnlein der gesellschaftspolitischen Bedeutung der Leibesertüchtigung in unserem Lande tapfer hochhält und verteidigt, ist ein profunder Partner für die nach wie vor beispielhafte Fair-Play-Aktion.

Wo immer Fair Play geübt wird, ist dies lobenswert

Natürlich springt der Großteil der Sportjournalisten, da müssen wir uns an die eigene Nase fassen, nicht sofort auf den Fair-Play-Zug, wenn nicht schillernde Stars wie Arsène Wenger oder Miroslav Klose ausgezeichnet werden. Aber geht es nur um den Promi-Status und Blitzlicht-Effekte? Es geht um Fair Play. Um Sportsgeist, um Toleranz, um Achtung des sportlichen Gegners, um viele Faktoren des fairen Umgangs im Sport untereinander.

Da ist es egal, ob diese Aktionen und Gesten in proppenvollen Stadien oder auf holprigen Sportplätzen und in staubigen Hallen praktiziert werden. Wo immer Fair Play geübt wird, ist dies lobenswert und hat es verdient, gewürdigt zu werden. Bei herausragenden Beispielen durch den Fair-Play-Preis.

Kapitulation des Staates vor der Verteidigung des sauberen Sports?

Denn allzu oft prägen die Auswüchse des Sports das Geschehen. Das Dopingproblem greift eher mehr um sich, als dass es effektiv bekämpft wird. Korruption ist nach wie vor an der Tagesordnung. Sich immer stärker blamierende Sportverbände füllen die Schlagzeilen, und über allem scheint nur noch die Macht des Geldes, die Erringung von Medaillen und die Vergabe von (Fernseh-)Rechten den Sport zu bestimmen. Erst recht in diesem Zusammenhang ist der Rückzug des Bundesinnenministeriums vom Fair-Play-Preis ein Armutszeugnis und mutet wie eine Kapitulation des Staates vor der Verteidigung des sauberen Sports an.

Es ist zudem ein weiterer kleiner Baustein, der zur immer wieder beklagten Politik-Verdrossenheit beiträgt. Zumindest bei all den Sportlern und Sportlerinnen, die weiterhin Fair Play als essentielles Element ihres Sporttreibens ansehen. Nur gut, dass VDS und DOSB den deutschen Fair-Play-Preis bestehen lassen und fortführen wollen. Wie es genau weitergehen soll, muss noch abgestimmt werden. Aber es geht auch ohne den Beifall des Ministers.

Albert Mehl ist Beisitzer im Präsidium des Verbandes Deutscher Sportjournalisten und Mitglied der bisherigen Fair-Play-Preis-Jury.