Sportart am Boden

Krise des Boxens – Teil I

02.11.2017 Henry Maske, Axel Schulz und Co. verhalfen dem einst verpönten Profiboxen zu ungeahnter Popularität. Der TV-Sender RTL wurde dank des „Gentlemans“ zu einer festen Größe. Das Ende der Klitschko-Ära ist ein schwerer Schlag für den Boomsport der 1990er-Jahre. Dem Boxen stehen düstere Zeiten bevor.
Autor: Ulf Zimmermann
Wladimir Klitschkos Niederlage im WM-Kampf gegen Anthony Joshua am 29. April war für das deutsche Profiboxen besonders schmerzhaft. Den Beteiligten und den Millionen Fans an den Bildschirmen wurde in der Scheinwelt einer gewohnt meisterhaften RTL-Übertragung auf brutale Weise vor Augen geführt, wie schön es einst war – und wie trist die Zukunft werden könnte. Klitschkos Rücktritt am 3. August war auch für TV-Partner RTL ein Abschied vom Boxen.

Damit ist Sat.1 derzeit der einzige überregionale TV-Sender, der einen Vertrag mit einem deutschen Box-Veranstalter hat. Der MDR überträgt seit 2015 Boxabende in Kooperation mit dem Magdeburger SES-Boxstall. Der Vertrag läuft bis Ende 2018.

„Unser Konzept, junge regionale Boxer aus einem regionalem Boxstall zu präsentieren, ist aufgegangen und wurde vom Zuschauer angenommen“, teilt der MDR mit. Dennoch könnte dem Boomsport der 1990er-Jahre mittelfristig der Blackout drohen. „Ich befürchte das“, sagt der frühere Kommentator Jean-Marcel Nartz.

Sat.1 ist seit 2014 fester Partner des Sauerland-Boxstalls. Der für Promoter Karl-Robin „Kalle“ Sauerland finanziell sehr wichtige Vertrag läuft bis Ende dieses Jahres. Sat.1 präsentiert in Tyron Zeuge den aktuell einzigen deutschen Weltmeister. In den guten Zeiten hatte jeder TV-Sender einen deutschen Champion zu bieten wie Sven Ottke, Dariusz Michalczewski, Arthur Abraham und Zeuge-Trainer Jürgen Brähmer – oder eben die Klitschkos. Das ist vorbei.

Sat.1 steigt bald aus, Sport1 steigt ein

„Unsere erfolgreiche Partnerschaft mit dem Sauerland-Boxstall ist von großer Bedeutung für den deutschen Boxsport. Wir werden uns zu gegebenem Zeitpunkt mit unserem Partner zusammensetzen, um über die Zukunft zu sprechen“, hatte Sat.1-Sportchef Alexander Rösner angekündigt. Das ist inzwischen geschehen: Ab 2018 werden die Sauerland-Kämpfe bei Sport1 zu sehen sein. Der Vertrag wurde erst einmal für drei Jahre abgeschlossen. „Gemeinsam schlagen wir das nächste Kapitel für Boxen in Deutschland auf“, hieß es in einer offiziellen Mitteilung.

Der Ausstieg von Sat.1. wird verständlich, wenn man mit Nartz den Blick in die glorreiche Vergangenheit richtet. Der 71-Jährige hat für die großen Promoter Wilfried Sauerland und Klaus-Peter Kohl einst das sportliche Programm der Events zusammengestellt und für diverse TV-Sender kommentiert.

Nartz kennt die mageren 1980er-Jahre und war Teil jenes Box-Paradieses, in dem noch bis vor wenigen Jahren neben RTL die Öffentlich-Rechtlichen feste Partner der konkurrierenden Boxställe Sauerland und Universum waren. In den 1990er-Jahren mischte zudem Sky-Vorgänger Premiere World als Transporteur der Universum-Boxveranstaltungen mit, und auch Eurosport war dabei.

Schon „Sir“ Henry Maske hinterließ mit seinem Rücktritt 1996 eine große Lücke. Nicht nur die 17,52 Millionen Zuschauer an den Bildschirmen trockneten ihre Tränen zu den Klängen von „Time to say goodbye“ – auch die TV-Macher. Maske sorgte mit feiner Klinge im Ring und geschliffenem Auftreten außerhalb des Seilgevierts für Länderspielquoten, auch dank der beiden Kämpfe gegen seinen Rivalen Graciano Rocchigiani (Maske-Foto: GES-Sportfoto/Augenklick).

Seinen Stallkollegen Axel Schulz trieb er 1995 zum Box-Quotenrekord im WM-Skandalkampf gegen Frans Botha (18,03 Millionen). Maske schuf auch ein Fundament für die zweite Reihe, die nach den Olympischen Spielen 1996 ins Profilager wechselte, und für das Frauenboxen. Ottke, Michalczewski, Thomas Ulrich oder Regina Halmich sorgten für bis zu acht Millionen Zuschauer.

Lesen Sie im zweiten Teil des zweiteiligen Reports, warum es keine Nachrücker gibt, die das breite Publikum für das Boxen begeistern können.

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe Oktober/November 2017 des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.