Verlage und öffentlich-rechtliche Sender müssten gemeinsames Interesse haben

Bedrohung durch US-Konzerne

06.01.2018 Private Medienhäuser und die öffentlich-rechtlichen Sender streiten sich. Wer darf was wo? Dabei sind die eigentlichen Kontrahenten Facebook, Google & Co.
Autor: Gregor Derichs
Der vom Spiegel losgetretene, heftige Streit zwischen Teilen der Printmedien und den öffentlich-rechtlichen Sendern scheint in den Sportredaktionen keine Rolle zu spielen. Vielleicht liegt es am partnerschaftlichen Verständnis, das speziell bei den großen Sportereignissen in der Kollegenschaft über die Mediengattungen hinaus gepflegt wird.

Bei dem teils giftig ausgetragenen Konflikt ging es besonders darum, dass die luxuriös ausgestatteten Fernseh- und Hörfunkanstalten mit ihren Websites den darbenden Verlagen im Internet angeblich das Wasser abgraben. Aber der Gegner von Print sitzt nicht in den Zentralen des durch die GEZ-Zwangsabgabe mit Milliarden finanzierten „Staatsfunks“, der laut Kritikern der Politik als Herrschaftsinstrument diene. Die wahren Kontrahenten wirken unverändert von der Westküste der Vereinigten Staaten von Amerika aus.

Facebook und Google bieten umfangreiche, topaktuelle Newsfeeds, die ihre Informationen zum größten Teil von Verlagsseiten absaugen und kostenlos anbieten. In den USA greifen 50 Prozent der jungen Nutzer ausschließlich auf diese Quellen zurück, im deutschsprachigen Raum dürften die Werte bei 14- bis 25-Jährigen kaum anders sein.

Aktuelle Zahlen zeigen, wie extrem die wirtschaftliche Stärke der Netzgiganten geworden ist. Facebook hat einen Rekordgewinn von vier Milliarden Euro im dritten Quartal 2017 erzielt, bei einem Umsatz von 9,25 Milliarden. Eine Rendite von 43 Prozent ist sagenhaft, Goldgräber könnten in guten Phasen so viel Ertrag für ihren Aufwand bekommen haben.

Der Überschuss von Google-Mutterkonzern Alphabet betrug im dritten Quartal sogar 5,8 Milliarden Euro. Die Liberalität der Märkte ohne nationale Grenzen mit Steuerlücken beziehungsweise Steuerfreiheit in aller Welt ermöglicht solche Gewinne, deren Besteuerung offenbar niemand durchsetzen kann.

Mehr Traffic und höhere Einnahmen wurden den Medienfirmen versprochen

Stark steigende Werbeeinnahmen fördern den anhaltenden Boom der Internetkonzerne, die bis in die hintersten Winkel der Welt agieren. Werbeexperten gehen davon aus, dass Google und Facebook aus dem deutschen Werbemarkt inzwischen mehr Mittel einstreichen als die deutschen Zeitungsverlage. Dabei profitieren sie von Inhalten der Verlage.

Dieser Kritik trat Facebook als größtes Soziales Netzwerk vor zwei Jahren mit der Publishing-Offerte „Instant Articles“ entgegen, womit Nachrichtenanbieter eine neue Verbreitungsplattform und größere Reichweite geboten werden sollte. Mehr Traffic und höhere Einnahmen wurden den Medienfirmen versprochen.

Die meisten kleinen und mittleren Verlage schaffen die Transformation nicht

Inzwischen sind Blätter wie die New York Times und der Guardian bei „Instant Articles“ ausgestiegen, weil über die eigenen Verlagsseiten höhere Einnahmen generiert werden. Die Welt und ihre Schwesterseiten verabschiedeten sich im Juni, andere deutsche Verlage reduzierten ihre Angebote drastisch.

Die Verlage mit namhaften Medienmarken besitzen auch in Deutschland das Potenzial und die Reichweite, ihre Inhalte für das Netz zu synchronisieren und in verschiedenen Kanälen zu streuen. So werden stagnierende analoge Einnahmen kompensiert. Die meisten kleinen und mittleren Verlage aber schaffen die Transformation nicht.

Die größten Profiteure des rasanten Wandels sind die Internetgiganten

Die Bemühungen scheitern oft daran, dass für die Digitalisierung Experten benötigt werden, aber in etlichen Häusern die Verantwortung von jenen übernommen wurde, die parallel den Niedergang des Printgeschäfts verwalten. Von der Entwicklung, dass die digitalen Erträge jährlich um bis zu fünf Prozent steigen, sind die mit durchschnittlichem Content bestückten, technisch rückständigen Homepages abgekoppelt.

Das Netz und die fortschreitende Digitalisierung wird wohl die überwiegende Zahl von Verlagen zu Verlierern machen und die Konzentration der Medienunternehmen fortschreiten lassen. Die größten Profiteure des rasanten Wandels sind die Internetgiganten. Die neue Erkenntnis liegt darin, dass Verlage und öffentlich-rechtliche Sender, die über Streaming ebenfalls von Internetfirmen bedroht werden, ein gemeinsames Interesse haben müssten.

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe Dezember 2017/Januar 2018 des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.