Pyeongchang ist eine große journalistische Herausforderung

Olympia-Kommentar

02.02.2018 Doping, Korruption und Betrug werden leider auch in der Berichterstattung von den Winterspielen eine wichtige Rolle spielen. Spielen müssen. Denn der olympische Mythos ist nur noch eine Illusion.
Autor: André Keil (1. VDS-Vizepräsident)
Sie werden eine journalistische Herausforderung – diese Olympischen Winterspiele in Pyeongchang. Die Kolleginnen und Kollegen vor Ort in Südkorea müssen sich Fakten stellen, die in einem deutlichen Gegensatz zum präsentierten glitzernden Abbild einer vermeintlich sauberen Sportwelt stehen. Der olympische Mythos ist nur noch eine Illusion, die Spiele sollen ein Bild von einem fairen und sauberen Sport in die Welt tragen. Diesen Sport gibt es aber nicht mehr: Betrug durch Doping, Korruption im Geschäft mit den Austragungsorten großer Wettkämpfe – die Realität sieht leider so aus.

Für deutsche Sportjournalistinnen und -journalisten wird Pyeongchang ein Spannungsfeld, sie selbst haben kürzlich Laura Dahlmeier zur Sportlerin und Johannes Rydzek zum Sportler des Jahres gewählt (Keil-Foto: privat). Zwei aus dem olympischen Wintersport, die beiden haben herausragende Leistungen gezeigt. Sie stehen nun aber auch als Sportpersönlichkeiten mit Vorbildcharakter im Rampenlicht, eine nicht zu unterschätzende Verantwortung. Sie werden in Südkorea gegen eine Konkurrenz antreten müssen, die die Bezeichnung „Olympic Athlete from Russia“ trägt. Werden sie auch gute Miene zu diesem bösen Spiel machen?

Fakt ist schon mal, dass sie die Inkonsequenz des Internationalen Olympischen Komitees ausbaden müssen. Russland ist trotz klar belegten Staatsdopings durch die vom IOC aufgehaltene Hintertür bei den Olympischen Spielen dabei. Ein Ausschluss des russischen Sports von den Spielen wäre die einzig akzeptable Entscheidung gewesen. Eine Rückkehr in den Weltsport hätte es nur mit nachvollziehbaren und unabhängigen Kontrollmechanismen geben dürfen.

Die Doping-Kontrollsysteme sind nicht effizient

Nun also gibt es eine kleine Bestrafung für das Nationale Olympische Komitee der Russen, mehr nicht. Ein katastrophales Signal für den Sport – wer soll wem noch über den Weg trauen können? Studien haben schon vor Jahren belegt, dass im internationalen Spitzensport massiv durch Doping betrogen wird. Erwischt wurden nur wenige. Die Kontrollsysteme sind nicht effizient, zu deren Verbesserung hielt sich der Beitrag des internationalen Sports ganz offensichtlich in Grenzen.

In Deutschland wissen wir zu gut, wohin staatlich geduldetes und staatlich angeordnetes Doping führt. Vor knapp drei Jahrzehnten endete die politische Systemauseinandersetzung im geteilten Deutschland. Das Sporterbe dieser Auseinandersetzung: Hunderte schwer geschädigte ehemalige Sportlerinnen und Sportler, die als Preis für den unbedingten Erfolg ihre Gesundheit und ihr selbstbestimmtes Leben gegeben haben. Viele dieser schwer kranken ehemaligen Athletinnen und Athleten bewahren einst gewonnene olympische Medaillen in ihren Wohnzimmerschränken auf. Sie sind eher Mahnung als stolze Erinnerung!  

Der deutsche Sport tut sich mit seiner Vergangenheit und Verantwortung nach wie vor schwer, es könnte anders sein. Er hätte durchaus die Möglichkeit, sich weltweit durch ein anderes Leitbild einen Namen zu machen: Abkehr vom System der Medaillenvorgaben als Voraussetzung für Förderung, bedingungslose Unterstützung eines effizienten Kontrollnetzes gegen Doping und Korruption und Anerkennung der Verantwortung zur eigenen Vergangenheit. In einem solchen Gefüge könnte auch leistungsorientierter Sport wieder Spaß machen. Die Freude über Erfolge könnte ihren Beigeschmack verlieren.

Die Kolleginnen und Kollegen, die von den Olympischen Spielen berichten werden, müssen sich wohl oder übel mit diesen Fragen auseinandersetzen. Eine große journalistische Herausforderung.
 
André Keil ist Vorsitzender des Sportjournalistenvereins Mecklenburg-Vorpommern und 1. Vizepräsident des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Der 50-Jährige, früher Leistungssportler im Segeln, wirkt beim Norddeutschen Rundfunk seit 2005 im Landesfunkhaus Schwerin als Studioleiter.

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe Februar/März 2018 des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.