Der Pöbel zur Premiere

TV-Berichterstattung

21.06.2016 Die ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann musste zuletzt reichlich viele verbale Angriffe ertragen, oftmals unter der Gürtellinie. Die Idioten sind zwar lautstark, aber zum Glück in der Minderheit.
Autor: Wolfgang Uhrig
Doch – es gab sie noch, für Claudia Neumann eine erfreuliche E-Mail. Nach Frankreich zur EM gesendet von einem VDS-Kollegen, der meinte, dass die ZDF-Kommentatorin „richtig gut war“ beim Vorrundenspiel Italien gegen Schweden (1:0). „Gegen all’ den Schotter, den Sie lesen mussten“ schrieb er, „weiter so – Gratulation!“

Aufmunternde Worte neben einer gruseligen Debatte auf Twitter, Facebook und Konsorten, die Zeit online aufgrund der Intensität mit der Schriftstellerin Simone de Beauvoir und deren Begriff der „Hexenverbrennung“ in Verbindung brachte.

„Diese Frau steht ihren Mann“

Und jetzt ist wohl erst mal wieder Ruhe im Netz. Denn schon vorher stand ja fest, dass mit dem Gruppenspiel planmäßig Schluss gewesen wäre für Claudia Neumann als Live-Kommentatorin. Von nun an wird sie die EM mit Beiträgen begleiten, „was den Zorn der männlichen Zuschauer wohl weniger heftig entzünden dürfte – in den vergangenen 20 Jahren zumindest hatte niemand etwas dagegen“, beruhigte Katharina Riehl in der Süddeutschen Zeitung.

Fast so lange ist Claudia Neumann schon ZDF-Sportredakteurin. Für den ersten Auftritt einer Frau als Kommentatorin bei einem Männerturnier war sie in den sozialen Netzwerken nun übelsten Beschimpfungen ausgesetzt. Und das obwohl ihr nicht mehr Fehler unterliefen als dies bei den Herren Kollegen in Live-Situationen vorkommt. ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz fand denn auch bei dpa das treffende Lob: „Diese Frau steht ihren Mann.“

„Wir sind noch nicht so weit, wie ihr gerne glauben wollt“

„Wieso kommentiert das Spiel eine Frau?", war noch die harmloseste Bemerkung, die sie aushalten musste. In einem anderen Beitrag wurde Claudia Neumann als „Schlampe“ beleidigt, der man nahelegte, sich ein männliches Geschlechtsteil zuzulegen.

Man könnte Katharina Riehl folgen, die den Aufstand so deutet: „Wir sind noch nicht so weit, wie ihr gerne glauben wollt.“ Viel Pionierarbeit also gegen den Pöbel – auch durch uns, die Medien. Und dem mutigen ZDF-Sportchef Gruschwitz sei vorausgesagt: Spätestens wenn eines Tages noch eine oder zwei Frauen live kommentieren, geht es nur noch darum, welche von den beiden die bessere ist. Die Diskussion darüber, dass es eine Frau ist, wäre dann vorbei.