„Einen solchen Output hat es bei Olympischen Spielen noch nie gegeben“

Dieter Gruschwitz und Gerd Gottlob im Interview

04.08.2016 Die Sommerspiele in Rio de Janeiro sind eine große Herausforderung – auch für die öffentlich-rechtlichen Sender. ARD-Teamchef Gerd Gottlob und dessen ZDF-Pendant Dieter Gruschwitz erklären die geplante Berichterstattung.
 
Zeitverschiebung und der Sparkurs, den die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender fahren müssen – ARD und ZDF stehen bei den Olympischen Sommerspielen vom 5. bis 21. August in Rio de Janeiro vor großen Herausforderungen. Während Dieter Gruschwitz bereits zum sechsten Mal die Olympia-Mannschaft des ZDF als Teamchef anführt, sind es für Gerd Gottlob vom NDR die ersten Spiele in dieser Funktion.

sportjournalist: Herr Gruschwitz, Herr Gottlob, die Olympischen Sommerspiele in Rio sind für das öffentlich-rechtliche Fernsehen besondere – in vielerlei Hinsicht. Zum einen gelten sie aufgrund der Zeitverschiebung als Online-Spiele. Wie geht das Fernsehen damit um?

Gerd Gottlob (Foto: ARD): Unser Kerngeschäft ist ja nach wie vor das lineare Fernsehen. Wir haben 2012 zum ersten Mal Online intensiv genutzt, und das war sehr erfolgreich. Wir hatten in London über 30 Millionen Livestream-Abrufe. Das Angebot ist ja parallel, deshalb ist für mich nicht die Frage: das eine oder das andere? Sondern: Es ist ein ergänzendes Angebot. Da haben wir beschlossen, es mindestens so intensiv anzubieten, wie wir es in London gemacht haben. Das bedeutet ein Livestream-Angebot von über 1000 Stunden.

Dieter Gruschwitz: Ich würde den Begriff der Online-Spiele ein bisschen relativieren. Das Angebot, das wir im Online-Bereich haben, also neben der Live-Übertragung im Fernsehen auf sechs Livestream-Kanälen parallel andere Sportarten zu zeigen, gab es in London auch schon. Dazu wird das Hauptprogramm noch einmal gestreamt, das heißt, online kann man auf sieben Wegen die Spiele verfolgen. Das sehen wir unabhängig von der Zeitverschiebung. Aber natürlich hat sich das Online-Angebot insgesamt erweitert, da trägt man den rasanten technischen Entwicklungen Rechnung. Das heißt, was wir über die Mediathek anbieten, ist ein Schwung mehr als früher.

sj: Trotzdem wird vielleicht nicht jeder Sportinteressierte in Deutschland wegen der Entscheidung im 100-Meter-Lauf um halb vier nachts vor dem Fernseher oder Computer sitzen, möchte darüber aber trotzdem ausführlich informiert werden.

Gruschwitz (Foto: GES/Augenklick): Man kann sich das Rennen später als Video-on-demand ansehen, im Fernsehen im Morgenmagazin und dann in der Highlight-Sendung. Die gibt es jeden Vormittag, und da fassen wir die Entscheidungen der Nacht mit dem Originalkommentar noch einmal zusammen.

Gottlob: Wir übertragen analog zum ZDF ebenfalls die Highlight-Sendung von 9.00 bis 12.00 Uhr aus dem Olympic Park. Unsere Programmabläufe sind identisch, auch weil wir so wirtschaftlich arbeiten können, und das ist auch ein wesentlicher Aspekt. Wir haben eine Doppelmoderation mit Michael Antwerpes und Jessy Wellmer und werden in der Hightlight-Sendung die Wettkämpfe der zurückliegenden deutschen Nacht und alle Medaillenentscheidungen des abgelaufenen Tages noch einmal aufbereiten. Im Online-Angebot gibt es zusätzlich zum Livestream die Entscheidungen der Nacht als Video-on-demand und als kleinere Clips.

sj: Rund 340 Stunden berichten ARD und ZDF von den Spielen in Rio, dazu kommen über 40 Stunden Zusammenfassungen und 1000 Stunden in Livestreams.

Gottlob: Einen solchen Output hat es für meine Begriffe noch nie gegeben.

Gruschwitz: Ja, wir bieten Bewegtbilder in Rio an, die es zuvor von Olympischen Spielen in dieser Ausführlichkeit noch nicht gegeben hat.

sj: Gibt es eine redaktionelle Zusammenarbeit der beiden Sender?

Gruschwitz: An ARD-Sendetagen werden die Livestreams, die parallel in den Online-Angeboten von ARD und ZDF gezeigt werden, von den ZDF-Kollegen kommentiert - und umgekehrt.

sj: Es könnten vorerst die letzten Spiele im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sein. Für die nächsten vier Veranstaltungen hat sich Discovery mit seinem Sender Eurosport die Übertragungsrechte gesichert. Ist das für Sie ein Ansporn, es besonders gut zu machen?

Gruschwitz: Ob es tatsächlich die vorerst letzten Spiele für uns sind, oder ob man sich in den laufenden Verhandlungen noch auf ein Modell einigen kann, damit wir in irgendeiner Weise bei den nächsten Spielen eingebunden sein werden, muss man abwarten. Wir werden auch in Rio unserer Programmphilosophie treu bleiben, die wir 60 Jahre in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit für Olympia geleistet haben.

sj: Welche Programmphilosophie ist das?

Gruschwitz: Es ist eine Fokussierung auf die deutschen Athleten, nicht nur im Finale, sondern auch in Vorkämpfen, Vorläufen und Qualifikationen. Immer wenn wir vom Weltbild abgehen, um einen deutschen Athleten zu zeigen, vor und nach dem Wettkampf oder in einem Interview sofort nach dem Wettkampf, dann bedeutet das zusätzlichen personellen und technischen Aufwand. Dieses Angebot und diese Fokussierung werden wir auch wieder in Rio leisten.

Gottlob: Ich würde es auf jeden Fall als Ansporn sehen. Wir würden uns natürlich nicht weniger Mühe geben, wenn wir wüssten, dass wir die nächsten Spiele auch übertragen werden. Aber es steckt im Planungsteam und bei vielen Mitarbeitern das Gefühl, man wolle noch einmal beweisen, weshalb es klug und richtig war, die Olympischen Spiele so oft im öffentlich-rechtlichen System gezeigt zu haben. Das ist sicher für viele Mitarbeiter und auch für mich noch eine zusätzliche Motivation. 

Mit Dieter Gruschwitz und Gerd Gottlob sprach Elisabeth Schlammerl

Das Interview mit Dieter Gruschwitz und Gerd Gottlob finden Sie in voller Länge in der Juli-Ausgabe des sportjournalist. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.