Harald Landefeld zum 90. - Einer der letzten Zeitzeugen

Verband Westdeutscher Sportjournalisten (VWS)

03.02.2016 Die Fußball-Weltmeisterschaft 1954 erlebte Harald Landefeld als Reporter des Sport-Beobachters, dessen Chefredakteur er später wurde. Am 20. Januar feierte der Bochumer Schalke-Fan seinen 90. Geburtstag
Autor: Helmut Holz
Es gab mal Zeiten, da standen Sonntag für Sonntag im Münsterschen Hauptbahnhof ungezählte Menschen und warteten auf den Zug, der den Sport-Beobachter aus Essen anlieferte, und zwar wenige Stunden nach Spielschluss. Wenn die Zeitungen aus dem Zug bekamen, hat man sie den Verkäufern förmlich aus den Händen gerissen. Das war noch zu Zeiten, als Preußen Münster gegen Schalke, Meidericher SV, Borussia Dortmund und Hamborn 07 spielte – in der alten Oberliga West.

So erinnert ein Fußballfan im Internet an jene legendäre Sportzeitung des Ruhrgebietes, deren Chefredakteur über zwanzig Jahre Harald Landefeld hieß. Und jener Harald Landefeld ist am 20. Januar 2016 90 Jahre alt geworden. Nur wenige Tage nach dem ehemaligen VDS-Präsidenten Günter „Micky“ Weise erreichte in Harald Landefeld einer der letzten Zeitzeugen des deutschen WM-Triumphes von 1954 dieses hohe Alter.

Vom Sport-Beobachter zum kicker

„Der Sport-Beobachter war nicht mein Kind, aber dennoch habe ich lange Zeit Vaterstelle an ihm vertreten“, erinnert sich der Jubilar an jene Zeitung, die in den Hochzeiten der Oberliga West in der 50er Jahren sonntags nicht einmal eine Stunde nach Spielschluss auf dem Markt war und von der am Erscheinungsort Essen pro Sonntag rund 18.000 (!) Exemplare verkauft wurden.

Von 1948 bis 1974 gab es den Sport-Beobachter, ehe ein Brand der Druckerei auch das Ende der beliebtesten Sportzeitung des Ruhrgebietes bedeutete. Nach der Übernahme des Blattes durch die Kölner Fußball-Woche gehörte Harald Landefeld als Chefreporter der Chefredaktion an, danach wechselte der Schalke-Fan zum Kicker, wo er seine aktive Zeit als Redakteur beendete.

Der gebürtige Bochumer hatte seine journalistische Laufbahn nach dem Abitur bei Erwin Riep, dem ehemaligen Sportchef der Westfalenpost, später der Ruhr-Nachrichten und auch des Sport-Beobachters begonnen. Riep holte den jungen Sportfan dann auch zum Sport-Beobachter.

Pointenreiche Anekdoten aus dem Erinnerungsschatz

Als jetzt etliche Kollegen Harald Landefeld zum 90. gratulierten, erlebten sie einen Jubilar, der mit sich durchaus im Reinen ist. Landefeld hat eine schwierige Herzoperation kurz vor seinem 80. überwunden und auch den Tod seiner Frau vor wenigen Jahren. Er erzählt pointenreich und aufgeräumt viele Anekdoten aus seinem Erinnerungsschatz. Natürlich gehören die Erinnerungen an die WM von 1954 ganz wesentlich dazu. Hermann Beckfeld, Chefredakteur der Ruhr-Nachrichten, hat die Landefeldschen Erinnerungen an die Zeit nach dem WM-Triumph in einem Bericht festgehalten:

Aus. Aus. Aus!!!! Das Spiel ist aus. Harald Landefeld ist fassungslos, sprachlos, völlig überrascht von der Sensation. Willi Figur, Landefelds Freund und Kollege von den Ruhr-Nachrichten, will ihn wachrütteln, schreit ihn an: „Harald, jetzt jubel mal. Wir sind Weltmeister.“ Der Reporter möchte seine Artikel durchgeben, doch im Wankdorfstadion sind viel zu wenige Telefone. Als er endlich die Redaktion seines Sport-Beobachters erreicht, beruhigen ihn die Kollegen: „Lass dir Zeit, wir drucken schon und werden noch länger drucken.“ Heute weiß er: Sieben Tage und sieben Nächte ließ sein Verleger ununterbrochen die Druckmaschine rotieren, so groß war die Begeisterung, die Gier nach Informationen. Die Drucker gingen nicht heim. Ihre Frauen brachten Verpflegung ans Firmentor.

Heimreise. Der Bahnhofsvorsteher in Freiburg holt Harald Landefeld aus dem Zug, die Redaktion beordert ihn nach Singen. Dort steht er auf dem völlig überfüllten Bahnsteig, als der rote Sonderzug mit den Helden von Bern einfährt. Die Spieler ziehen die Fensterscheiben herunter. Harald Landefeld klettert auf seinen Koffer, Berni Klodt versucht, den Journalisten in den Zug zu ziehen.

Es klappt nicht. Der Zug fährt ohne ihn weiter, doch Harald Landefeld ist nicht traurig. „Von der Ankunft unserer Jungs in Singen habe ich die schönste Geschichte meines Lebens geschrieben.“ Die Geschichte von der Heimkehr unserer Weltmeister.