Diskussion über soziale Verantwortung von Fußballvereinen

Verein Münchner Sportjournalisten (VMS)

06.02.2017 In seinem neuesten Werk kritisiert Ronny Blaschke die Fußballklubs scharf. Etliche würden zu viel über soziales Engagement reden, aber zu wenig tun. Bei der Buchvorstellung in München war auch Thomas Hitzlsperger anwesend. Der ehemalige Nationalspieler sieht beides – Hilfsbereitschaft und Heuchelei.
Autor: Günter Klein
In der Schwabinger Kneipe „Stadion“ gibt es mehrmals wöchentlich Fußballstars zu sehen. Auf den Bildschirmen, bei den Übertragungen aus Bundesliga und Champions League. Doch nun war ein Prominenter leibhaftig da: Thomas Hitzlsperger, ehemaliger Nationalspieler und neuerdings Vorstandsbeauftragter für die Lizenzspielermannschaft beim VfB Stuttgart.

Hitzlsperger kam als Gast von Ronny Blaschke ins „Stadion“. Blaschke, Mitglied des Verbandes der Sportjournalisten Berlin-Brandenburg (VdSBB), hat für sein neues Buch „Gesellschaftsspielchen – Fußball zwischen Hilfsbereitschaft und Heuchelei“ auch Hitzlsperger interviewt, den sozial und gesellschaftspolitisch wohl engagiertesten (Ex-)Profi in Deutschland (Hitzlsperger-Foto: GES-Sportfoto/Augenklick).

„Es gibt beides, Hilfsbereitschaft und Heuchelei“, sagt Hitzlsperger. Er kennt „Leute, die versuchen, Geld abzuschöpfen“ und Spieler, die Stiftungen gründen, weil es steuerliche Vorteile bringt und ein positives Image schafft. Doch ebenso ist er vielen Menschen begegnet, deren Engagement ehrlich sei.

Philipp Lahms soziales Engagement in einem südafrikanischen Township

Weitere Gäste der Talkrunde waren Professor Dr. Patricia East, ehrenamtliche Geschäftsführerin der Philipp-Lahm-Stiftung, und Stephanie Dilba, die sich beim TSV 1860 in der Initiative „Löwenfans gegen Rechts“ engagiert und bei den „Football Supporters Europe“ mitarbeitet.

Patricia East, britische Diplomatentochter und heute Tourismus-Professorin, hatte den ersten Kontakt zu Philipp Lahm vor elf Jahren, als sie eine Anfrage erhielt, ob sie dem Fußballspieler private Englisch-Stunden geben könne. Aber: „Wer ist Philipp Lahm?“ Sie kannte ihn nicht, sagte ab. Ein Jahr später lernte sie ihn kennen und war von seinem sozialen Engagement so angetan, „dass ich ein Sabbatical-Semester genommen habe, um seine Stiftung zu begleiten“.

Mehr tun, als nur in der Kurve zu stehen

East erzählt aus dem Alltag der Stiftung. Tausende Briefe würde sie bekommen, „Anfragen verzweifelter Individuen, oft herzzerreißend“. Aber man dürfe nur auf das eingehen, was dem Stiftungszweck entspreche. Lahms Arbeit besteht darin, dass er Sponsoren, die seine Aktivitäten in einem südafrikanischen Township und im jährlichen Philipp-Lahm-Sommercamp in Deutschland unterstützen, für Werbung zur Verfügung steht.

Dilba berichtete aus dem Leben eines Fans, der mehr tun will, als nur in der Kurve zu stehen (obwohl das, wie sie sagt, für Frauen oft nicht unproblematisch ist, weil sie häufig Opfer sexistischer Attacken werden). Unterstützung vom Verein? So gut wie nicht. „Da gibt es immer andere Probleme: den Kampf um den Klassenerhalt und ums Überleben“, sagt Dilba.

„Vereinsmitglieder und Fans können noch etwas bewegen“

Es wurde noch munter diskutiert im „Stadion“, und einer, der sich zu Wort meldete, war Gregor Weinreich, Vorsitzender der FC-Bayern-Fanclubvereinigung „Club Nr. 12“. Er rät: Nicht nachlassen. „In Deutschland haben wir zum Glück die 50+1-Regelung. Vereinsmitglieder und Fans können noch etwas bewegen.“

Autor Blaschke hofft, dass die Diskussionen der Basis den Profifußball veranlassen werden, mehr als die bisher jährlich 20 Millionen für soziale Zwecke abzuzweigen. Bei einem Gesamtumsatz von drei Milliarden Euro sollte man die „Corporate Social Responsibility“ leben können.