Zum Tod von Wolfgang „Wolfe“ Weingärtner – Uneitel und vorbildhaft

Verein Münchner Sportjournalisten (VMS)

07.01.2019

Er wollte nie im Mittelpunkt stehen. Wolfgang „Wolfe“ Weingärtner konzentrierte sich lieber auf seine Arbeit und prägte über Jahre die Sportberichterstattung der Süddeutschen Zeitung. An Silvester ist der Münchner im Alter von 97 Jahren verstorben.

Autor: Michael Gernandt

Über Wolfgang Weingärtner, zuletzt ältestes Mitglied des Vereins Münchner Sportjournalisten (VMS), kursierte in der Szene eine Vielzahl bunter Geschichten. Sie haben im Verlauf seines langen Berufslebens noch allerlei Ausschmückungen erfahren und gipfelten meist in allerlei bemüht-gewundenen, gleichwohl zutreffenden Etikettierungen: Schwergewicht der Sportredaktion der Süddeutschen Zeitung, Skipapst, Institution an der Piste, Lebenskünstler, Edelfeder, Mitbegründer des bekannt kritischen Sportjournalismus der SZ, Frei- und Widerspruchsgeist, liberales Gewissen des Sports.

Wenn Weingärtner derlei zu Ohren kam, verzog er das Gesicht. Elogen für seine Person? „Ja, schleicht’s euch doch.“ Weingärtner gehörte zu den Uneitlen der Branche, Mittelpunkt zu sein verabscheute er. Chef im Ring war er am liebsten nur, wenn ihm in seinem Refugium am oberbayerischen Staffelsee seine geliebten, stets hungrigen Enten Kasper und Gretl zwecks Nahrungsaufnahme die Aufwartung machten.

Bevor der Münchner Wolfgang Weingärtner nach dem Einstieg in den Sportjournalismus Anfang der 1950er-Jahre dort auffällig wurde, hatte er beträchtliches Geschick entwickelt, unauffällig zu sein. Das könnte ihm geholfen haben, hat er einmal überlegt, den Kriegsdienst in der Uniform der Luftwaffe ohne Schrammen hinter sich gebracht zu haben.

Weingärtner deutscher Jugendmeister im Schwimmen

Noch bevor das Inferno 1939 über die Welt hereinbrach, war der Münchner Abiturient in Breslau deutscher Jugendmeister im Schwimmen geworden. Dass er dort Ludwig Koppenwallner von der Fraktion der Leichtathleten begegnete, dem späteren deutschen Hochsprungmeister (1947/1948) und ersten Sportchef der Süddeutschen (1946), war dem Umstand einer Sichtung des deutschen Sportnachwuchses aus verschiedenen Verbänden geschuldet, nicht schon für Olympia 1940, aber doch wohl für 1944 (beide Spiele fanden aus bekannten Gründen nie statt).

Es mag im Jahr 1950 gewesen sein, als sich der „Koppe“ (Koppenwallner) und der „Wolfe“ (Weingärtner) wiedert rafen: in der Redaktionsstube des SZ-Sports in Münchens Sendlinger Straße 8. Weingärtner, inzwischen Referendar der Jurisprudenz, hatte Interesse am Sportjournalismus erkennen lassen – und Koppenwallner zugegriffen (Weingärtner-Foto: privat).

So begann die bemerkenswerte Karriere des Sportjournalisten (und Nebenher-Rechtsanwalts) Wolfgang Weingärtner, dem Jüngsten des „magischen Dreiecks“ im SZ-Sport, das er mit Koppenwallner und dem Fußballchef Hans Schiefele bildete. Und das den Grundstein legte für den bundesweit bekannten Qualitätsjournalismus im Sport der Süddeutschen Zeitung.
 
Weingärtner hätte es sicher entrüstet von sich gewiesen, wenigstens Mittelpunkt dieses Trios gewesen zu sein. Und der Feststellung, mit seinen Reportagen und Kommentaren vom Schwimmen und Tennis, vor allem aber vom alpinen Skisport die Arbeit seiner Redaktion vorbildhaft und auf Jahre hinaus geprägt zu haben, kann er nun auch nicht mehr widersprechen. Wolfgang Weingärtner ist zu Silvester vergangenen Jahres mit 97 Jahren gestorben.