Rainer Schlegelmilch zum 80. Geburtstag – Leidenschaftlicher Ästhet

Sportpresseclub Wiesbaden-Mainz (SPCWM)

09.02.2021

Er ist einer der renommiertesten Fotografen der Formel 1 und hat selbst Benzin im Blut. Am 9. Februar wird Rainer Schlegelmilch, Mitglied des Sportpresseclubs Wiesbaden-Mainz, 80 Jahre alt.

Autor: Michael Ruhnke

Das Foto hinter meinem Schreibtisch erinnert mich fast täglich an Rainer. Es zeigt die pure Freude eines Formel-1-Gewinners, dessen Kopf aus dem auf seinem Lotus liegenden Siegerkranz nur knapp herausragt. Rainer Schlegelmilch gelang beim Großen Preis der Niederlande in Zandvoort 1967 dieses ausdrucksstarke Bild des zweimaligen Weltmeisters Jim Clark, das um die Welt ging.

Der Fotograf, damals gerade mal 26 Jahre alt, begleitet den Motorsport bereits seit 1963, als Formel-1-Fahrer noch Typen waren, die, wie es Niki Lauda einmal treffend formulierte „fuhren, bis sie sich auflösten“. In den 1960er-Jahren blieb eine beträchtliche Anzahl der Helden dieser fragilen Boliden im wahren Sinne auf der Strecke, so auch Clark nur ein Jahr später (Cover-Abbildung: Rainer Schlegelmilch).

Was von dieser Zeit bleibt, sind Erinnerungen in Schwarzweiß. Erst von den 1970er-Jahren an dann in Farbe. Kaum war die große Zeit des legendären Jochen Rindt angebrochen, endete sie schon mit dem Tod des Österreichers am 5. September 1970. Auch diese Bilder, wie so viele andere, hat Rainer Schlegelmilch in seinem Lebenswerk „50 Years of Formula 1 Photography“ veröffentlicht, das mehr als 600 Seiten umfasst.

Kein Geringerer als Bernie Ecclestone beschreibt Rainer in diesem außergewöhnlichen Buch als einen „der besten Fotografen unseres Sports, der seiner Arbeit oft unter schwierigen Umständen mit Hingabe und Energie, mit Leidenschaft, Kreativität und mit großer Professionalität nachgeht“. Ein treffendes Kompliment dieses gerade auf die Medien stets sehr kritisch blickenden ehemaligen Formel-1-Chefs.

Rainer bin ich seit Ende der 1980er-Jahre regelmäßig auf allen Rennkursen der Welt begegnet. Wer immer auf der Strecke auch der Schnellste gewesen sein mochte, am Rande der Piste und im Fahrerlager war es der quirlige Schlegelmilch mit dem Schnurrbart, meistens in beigefarbenen kurzen Hosen und Fotografenweste bekleidet, darüber behängt mit mehreren Kameras, eine davon im Anschlag (Schlegelmilch-Foto: privat).

Nicht etwa, dass er drauflos geknipst hätte: Seine Bilder sind trotz aller oft notwendigen Spontanität das Ergebnis durchdachter Fotografie voller Ästhetik. Nicht ohne Grund wurden seine Fotos 2010 anlässlich des 40. Todestags Jochen Rindts in der renommierten Wiener Galerie „Westlicht“ ausgestellt.

Mögen die Bilder der rasanten Rennwagen noch so faszinieren, es sind oft aber auch die Geschichten dahinter: Porträts, die den zwischen den Testsessions rauchenden Jochen Rindt mit seiner Frau Nina am Streckenrand oder im Gespräch mit Teamchef Colin Chapman zurückgezogen in der Garage zeigen. Um derartige Situationen festzuhalten, bedarf es eines ausgeprägten Fingerspitzengefühls und des Bewusstseins, selbst „nur“ die Aufgabe des Vermittlers anzunehmen.

Rainers Rennarchiv ist gewaltig: etwa 15.000 Schwarzweiß-Abzüge aus den 1960er-Jahren und eine halbe Million Farbfotos, davon allein circa 30.000 Bilder, die Michael Schumacher zeigen. Ohne selbst Benzin im Blut zu haben wäre Rainers Arbeit nicht vorstellbar gewesen (Logo: SPCWM).

Der passionierte Porsche-Fahrer musste eines Tages den schmerzlichen Verlust seines bildschönen 911 Targa hinnehmen, der ihm gestohlen wurde. Wie sich später herausstellte, hatte sich RAF-Terrorist Andreas Baader des Sportwagens bemächtigt, um den Ordnungshütern zu entwischen.

Der Hang zu rasanten Autos und ein weiteres Hobby verbindet mich mit Rainer. Der „JZ Club“ in Shanghai ist ein Hotspot für gepflegten Jazz. Normalerweise sind die Rennstrecken der Welt unser gemeinsamer Treffpunkt. Ich war bass erstaunt, als ich ihm vor einigen Jahren ausgerechnet dort begegnete. Bei einem Glas Campari Orange zu cooler Jazzmusik entspannt Rainer. Bestimmt tut er das auch zu seinem 80. Herzlichen Glückwunsch!