„Es entsteht oft auch Informationsmüll“

Interview mit Medienwissenschaftler Hackforth

16.12.2015 Der Medienwandel vollzieht sich in rasender Geschwindigkeit. Professor Dr. Josef Hackforth glaubt, dass sich der Trend zur Digitalisierung fortsetzen wird. Der 66-Jährige sieht dennoch eine Zukunft für die klassischen Medien.
 
Professor Dr. Josef Hackforth wurde am 6. Januar 1949 in Wanne-Eickel geboren. Der emeritierte Professor der TU München ist Leiter des Master-Studiengangs „Sports Business and Communication“ an der Munich Business School und des Audi-Instituts für Sportkommunikation.

sportjournalist: Herr Hackforth, die Sportmedien befinden sich in einem Umbruch, den viele Journalisten als beunruhigend empfinden. Wie bewerten Sie die Entwicklung der klassischen deutschen Sportmedien?

Josef Hackforth: Das wichtigste Stichwort hierzu ist Digitalisierung. Niemand hat vor zehn Jahren gedacht, dass dieser Prozess so extrem beschleunigt verlaufen wird. Eine Konsequenz dieser Digitalisierung ist die Ausdifferenzierung im Berufsbild. Was früher klar aufgeteilt war in Print, Funk und Fernsehen, gilt nicht mehr.

sj: Was gilt stattdessen?

Hackforth: Die Tendenz hat sich dramatisch verschoben zur digitalen Kommunikation und zulasten der Printkommunikation. Das ist auch an den Nutzungsdaten im Sport zu erkennen, wobei wir zwei Gruppen unterscheiden. Die „digital natives“, die Generation bis zu 30 Jahren, die groß geworden ist mit der Digitalisierung, und die „digital immigrants“, die häufig mühsam lernen, mit den digitalen Medien und Social Media umzugehen.

sj: Inwieweit wird die Berichterstattung durch den Umbruch verändert?

Hackforth: Wenn man sieht, was Mesut Özil mit seinem Management um Roland Eitel im Bereich Social Media macht, teilweise gemeinsam mit adidas, so ist dies eine Prominenten-Sportberichterstattung, die es vor zehn Jahren gar nicht gegeben hat. Immer mehr Sportler nutzen Facebook, Twitter, Instagram, um eigene Personalpolitik zu betreiben. Wenn etablierte Medien auf diese Nachrichten eingehen, sind die Quellen nicht mehr dpa und SID, sondern Twitter, Facebook oder Instagram.

sj: Wie sehen Sie die Chance, dass die Medien den Transformationsprozess meistern?

Hackforth: Die Axel Springer SE erlöst mittlerweile über 50 Prozent aus seinem digitalen Geschäft. Was bei bild.de und bild.de plus passiert, ist das Modell, was künftig von mehr Verlagen übernommen wird. Bei Bild funktioniert, nach allem, was ich lese, dieses Erlösmodell vorzüglich. Das kann die Zukunft sein.

sj: Inwieweit ist das Fernsehen vom Umbruch betroffen?

Hackforth: Wir sprechen in der Wissenschaft inzwischen nicht nur vom „second screen“, das heißt, man nutzt TV und Laptop gleichzeitig, sondern vom „Multiscreen“, also Smartphone, Laptop und Fernsehen, wobei zugleich mit anderen Nutzern direkt kommuniziert wird. Das Multitasking wird bei den bis zu 30-Jährigen immer populärer. So wird künftig auch ein völlig anderes Nutzungsverhalten in der Sportkommunikation entstehen.

sj: Wie sehen Sie die zukünftige Rolle der klassischen Medien?

Hackforth: Das Nutzungsverhalten revolutioniert sich. Unter 30-Jährige lesen kaum noch Zeitungen. Darauf müssen sich die Printmedien einstellen. Ihre Zukunft wird noch stärker bei den Hintergründen, den Analysen und den Exklusivstorys liegen. Wenn sie sich nicht absetzen von Online und Fernsehen, werden es die Zeitungen bald noch schwerer haben. Momentan sind die Auflagenrückgänge schon dramatisch. Print kann nicht mehr am Morgen das anbieten, was am Vortag überall online zu lesen war und was Sky den ganzen Tag über sendet.

sj: Die Information an sich hat an Wert verloren, weil sie überall zu finden ist. Liegt die besondere Stärke der digitalen Medien darin, dass Kommunikation keine Einbahnstraße mehr ist?

Hackforth: Wir können sagen, was Hans Magnus Enzensberger und Bertolt Brecht sich gewünscht haben, dass nämlich der Rezipient auch ein Kommunikator wird, dass eben keine Einbahnstraße der Transmission mehr besteht, sondern wirklich Kommunikation möglich ist, das hat Social Media wunderbar erfüllt. Es kann Interaktion stattfinden. Und es stimmt, dass die Halbwertszeit für Informationen nicht einmal mehr 24 Stunden, sondern oft nur noch über zwei Stunden beträgt. Die Information wird sofort erweitert oder widerlegt. Dabei entsteht aber oft auch eine Informationslawine oder Informationsmüll.

Mit Professor Dr. Josef Hackforth sprach Gregor Derichs