Einsteigerin Anne Armbrecht – „Anerkennung für gute Arbeit und sonst nichts“

Serie „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“

23.08.2016 Ihr Vater nahm sie schon als Säugling mit ins Fußballstadion. Inzwischen berichtet Anne Armbrecht selbst aus den Arenen. Die 24-Jährige ist eine selbstbewusste Journalistin und kann über Chauvi-Sprüche nur den Kopf schütteln.
 
Geboren wurde Anne Armbrecht (Porträt-Foto: privat) am 24. März 1992 in Jena, wo sie das Angergymnasium mit dem Abitur abschloss. In Erfurt erwarb Armbrecht ihren Bachelor der Kommunikationswissenschaft und Staatswissenschaften. Derzeit lebt und studiert sie in Frankfurt am Main. Dort macht sie ihren Master der Sozialwissenschaften des Sports. Mit einer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienenen Reportage hat sie den VDS-Nachwuchspreis 2015 gewonnen. Das Thema: Ein Fußballverband in der Pfalz macht aus Strafgefangenen Schiedsrichter. Als freie Mitarbeiterin ist Armbrecht für FAZ und dpa tätig.

sportjournalist: Anne Armbrecht, hatten Sie schon immer eine starke Beziehung zum Sport?

Anne Armbrecht: Ich stamme aus einer fußballbegeisterten Familie, das geht nicht spurlos an einem vorbei. Mein Vater hat mich mit neun Monaten in der Bauchtrage mit ins Stadion von Carl Zeiss Jena genommen. Ich bin da im wahrsten Sinne hineingewachsen.

sj: Selbst aktiv gekickt?

Armbrecht: Ehrlich gesagt, nein. Ich bin schon mit der Einschulung beim Paddeln gelandet und habe Kanuslalom einige Jahre leistungsmäßig betrieben.

sj: Dann ist es sicherlich kein Zufall, dass eine Ihrer großen Geschichten das Porträt des Slalom-Kanuten Sideris Tasiadis war. Dessen Lebenspartnerin ist im vergangenen Herbst an Blutkrebs gestorben.

Armbrecht: Ich finde es bewundernswert, wie sich Sideris Tasiadis nicht unterkriegen lässt. Sportsoziale Themen begeistern mich grundsätzlich, ich interessiere mich für Mensch und Motivation hinter der Leistung. Das ist aus dem Leben heraus, so nah ist man den Menschen nur im Sport. Ich will diese Geschichten erzählen. Mindestens genauso spannend finde ich aber aufwändige Recherchen in der Sportpolitik, wo man mit seiner Arbeit im journalistisch idealen Sinn etwas bewirken kann.

sj: Wollten Sie schon immer Sportjournalistin sein?

Armbrecht: Nein, ich bin über ein Ehrenamt im Fußball eher zufällig zu einem Praktikum bei der Lokalzeitung gekommen. Da war ich 16 Jahre alt. Dass das etwas Ernsthaftes werden könnte, hat sich erst nach und nach herausgestellt.

sj: Im Sport arbeiten zu einem sehr großen Teil Männer. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, zumal als junge Kollegin?

Armbrecht: In den Redaktionen habe ich durchweg positive Erfahrungen gemacht. Auf Terminen sieht das leider etwas anders aus. Ein Trainer hat mal zu mir gesagt: Ich kann Frauen im Fußball grundsätzlich nicht ernst nehmen. So etwas bekommt man leider öfter zu hören (Tasiadis-Foto: sampics/Augenklick).

sj: Jüngst gab es – auch innerhalb des VDS – eine Debatte über die Sinnhaftigkeit einer sportjournalist-Meldung zur Wahl Laura Wontorras als „heißester“ Sportmoderatorin Deutschlands. Was sagen Sie dazu?

Armbrecht: Natürlich will man als attraktive Frau wahrgenommen werden, aber nicht im beruflichen Kontext und schon gar nicht darauf reduziert. Anerkennung möchte ich als Sportjournalistin für gute Arbeit und sonst nichts. Es fragt doch auch niemand, wer der smarteste Moderator bei den Männern ist – einfach, weil es für die Qualität ihrer Arbeit keine Rolle spielt. Ich finde es ziemlich nervig, dass sich diese Erkenntnis im Umgang mit Frauen noch nicht durchgesetzt hat.

sj: Sehen Sie zumindest eine positive Entwicklung?

Armbrecht: Ich glaube, dass sich bei den Frauen gerade eine Menge in Sachen Selbstverständnis und Selbstbewusstsein tut. Gerade in meiner Generation. Nur weil mich irgendjemand wegen völlig veralteter Rollenvorstellungen nicht im Presseraum haben will, lasse ich mir nicht den Beruf, den ich ausüben will, kaputt machen oder gar verbieten.

sj: Ist es aus Ihrer Sicht ein permanenter Kampf für mehr Anerkennung?

Armbrecht: Ich bin mit Herzblut und Leidenschaft dabei, habe insgesamt immer die Hoffnung, etwas bewegen zu können. Das gilt auch für unseren Job. Ich weiß auch nicht, wie sich die Medienbranche entwickeln wird, bin aber zuversichtlich, was mich persönlich betrifft. Ich habe derzeit keine Zukunftsangst (Wontorra-Foto: Kunz/Augenklick).

sj: Was stimmt Sie so positiv? Andere Kollegen machen sich angesichts sinkender Auflagen und massiver Stellenstreichungen große Sorgen.

Armbrecht: Ich sag es mal so: Ich bin noch recht jung und bewahre mir die Hoffnung, dass sich Qualität am Ende durchsetzt, egal in welchem Medium.

Mit Anne Armbrecht sprach Clemens Gerlach (der Autor gehörte zur Jury für den VDS-Nachwuchspreis)

Dieses Interview stammt aus der Juni-Ausgabe des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.