„Digitalisierung hat Lebensgewohnheiten der Menschen revolutioniert“

Kicker.de-Chef Alexander Wagner im Interview – Teil I

14.08.2017 Kicker.de ist das reichweitenstärkste deutschsprachige Sport-Portal. Jüngst feierte es sein 20-jähriges Jubiläum. Im sportjournalist-Interview spricht Alexander Wagner, als Leiter Digital Mitglied der vierköpfigen Chefredaktion, über den radikalen Wandel der Gesellschaft.
 
sportjournalist: Alexander Wagner, wissen Sie noch, was Sie am 18. Juli 1997 gemacht haben?
 
Alexander Wagner (50): Ich erinnere mich ziemlich genau. Zusammen mit Kollegen schaute ich auf den Bildschirm eines Computers und hoffte, dass die Technik funktioniert und alles gut geht. Denn an diesem Tag wurde Kicker.de freigeschaltet.
 
sj: Offenbar hat es funktioniert. Kicker.de ist inzwischen die reichweitenstärkste deutschsprachige Sportsite, Sie gehen in die 21. Bundesliga-Saison.
 
Wagner: Wir waren damals insgesamt vier Leute, für Technik und Redaktion. Ich hatte wie heute auch den redaktionellen Part inne, aber im Prinzip hat jeder alles gemacht. Anfang 1997 hatten wir mit der Konzeption begonnen. Ich war in der Endphase meines Studiums der Kommunikationswissenschaft, schrieb an meiner Diplomarbeit.
 
sj: Sie sind seitdem bei Kicker.de geblieben. Was hat sich über die Jahrzehnte in Ihrem Haus verändert?

Wagner: Am Anfang waren wir froh, wenn wir die Seite am Tag einmal frisch bekommen haben. Drei Meldungen wurden ausgetauscht, das ist heute nicht mehr vorstellbar. Kicker.de hat inzwischen 35 redaktionelle Stellen, wir liefern permanent ein aktuelles journalistisches Angebot. Dazu gehören nicht nur News, sondern auch Porträts, Interviews, Hintergrundstücke, Videos und Live-Ticker.
 
sj: Wie bewerten Sie die Entwicklung der Mediengesellschaft insgesamt?

Wagner: Die Digitalisierung hat die Lebensgewohnheiten der Menschen revolutioniert. 1997 war ein Internet-Anschluss die Ausnahme, heute ist es ein Massenmedium. Es kommen noch Social Media und der mobile Aspekt dazu. Die Frage, die sich unter diesen Gegebenheiten mehr denn je stellt, lautet: „Was ist guter Journalismus und wie lässt er sich am besten darstellen?“.

sj: Und wie lautet Ihre Antwort?
 
Wagner: Lange Jahre hatten wir in der gesamten Medienlandschaft eine Debatte Print gegen Online. Quasi Gut gegen Böse, dabei galten die Onliner als Totengräber des Journalismus. Heute wird darüber konstruktiv debattiert, um zu entscheiden, welcher Inhalt ist für welchen Kanal am besten geeignet.
 
sj: Was bedeutet der Wandel für die Arbeit der Journalisten?

Wagner: Durch digitale Angebote hat sich der Journalismus insgesamt stark verändert. Die Anforderungen an Journalisten werden immer komplexer. Zum Beispiel werden Grundkenntnisse für Technik benötigt. Journalisten müssen Projekte nicht zwingend selbst technisch umsetzen können, sie müssen aber wissen, wie aufwendig es ist, die gewünschten Inhalte zu programmieren und aufzubereiten (Foto: Screenshot Kicker.de).

sj: Ein mindestens genauso wichtiges Thema sind seit geraumer Zeit die Sozialen Netzwerke. Welchen Einfluss haben Facebook und Co. auf das journalistische Berufsfeld?

Wagner: Die Menschen verfügen mit Social Media über eigene Feedbackkanäle. Journalisten müssen darauf reagieren, und zwar schnell und angemessen. Die Ansprache ist sehr wichtig, die muss etwa bei Facebook eine andere sein als bei den Kicker-Kanälen.
 
sj: Sind Social Media aus Ihrer Warte Fluch oder Segen?

Wagner: Der Austausch zwischen Usern und Journalisten ist in den Netzwerken sehr eng und sehr direkt. Es ist wichtig, bei Facebook und anderen Communitys mit Inhalten vertreten zu sein. Mit sozialen Medien kann man in einem sehr hohen Maß Menschen dort erreichen, wo sie sich befinden. Eines ist klar: Ausgebildete Journalisten sind in den Netzwerken in einer gigantischen Minderheit.

Mit Alexander Wagner sprach Clemens Gerlach. Lesen Sie im zweiten Teil des Interviews, welche Bedeutung Mobile für Kicker.de hat und in welchen Feldern Wachstumschancen gesehen werden.

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe August/September 2017 des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.