Aufsteigerin Birgit Nössing – „Ich wollte eine olympische Medaille gewinnen“

Serie „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“

02.01.2018 Birgit Nössing ist das neue TV-Gesicht von Eurosport für die Winterspiele 2018. Dabei wollte die Südtirolerin ursprünglich auf der anderen Seite der Mixed-Zonen zu Olympia. Im sportjournalist-Interview erklärt die 35-Jährige, warum sie dennoch nicht hadert.
 
Eine schwere Knieverletzung zwang Birgit Nössing als 16-Jährige zu einem frühen Kurswechsel. Nach ihrem Journalistik-Studium in München und ihrer Arbeit bei verschiedenen Tageszeitungen stand sie 2006 erstmals als Fernsehmoderatorin für N24 vor der Kamera. Seit 2011 war Nössing als News-Anchor bei Sky Sport News HD tätig, von wo sie zu Eurosport wechselte. Ihre Premiere hatte sie im vergangenen Februar bei der alpinen Ski-WM in St. Moritz.

sportjournalist: Birgit Nössing, es gibt Kolleginnen und Kollegen, die schon als Kinder mit Diktiergerät und Notizblock Verwandte interviewt haben. Sie waren stattdessen sehr früh auf der Seite der Aktiven unterwegs.

Birgit Nössing: Als ich mein erstes Skirennen gefahren bin, war ich drei oder vier Jahre alt. Mir hat es immer gefallen, mich mit den anderen zu messen. Also war schnell klar, dass ich Rennfahrerin werden und an den Olympischen Spielen teilnehmen möchte. Ich wollte so wie meine großen Idole damals – Tomba, Aamodt oder Compagnoni – eine olympische Medaille gewinnen.

sj: Dann verletzten Sie sich schwer. Wie lange hat es damals gedauert, bis Sie damit umgehen konnten?

Nössing: Der Kreuzbandriss war erst einmal ein Schock. Aber ich habe versucht, ihn als Zeichen zu interpretieren: Was will mir diese Verletzung sagen? Soll ich noch härter trainieren oder ganz aufhören? Ich habe dann noch härter trainiert – und kurz darauf aufgehört. Der Rückstand zu den anderen in meinem Alter war einfach zu groß (Foto alpine Skifahrerin: sampics/Augenklick).

sj: War Sportjournalismus von Anfang an die logische Konsequenz, oder wollten Sie erst einmal möglichst weit weg von Ihrem geplatzten Traum?

Nössing: Ich wollte erst was ganz anderes machen, der Sportjournalismus war weniger in meinem Kopf, ich wollte Nachrichtensprecherin werden. Denn neben Sport hat mich Journalismus schon immer interessiert.

sj: Sie kommen aus Bozen, warum fiel ihre Wahl auf München?

Nössing: Mailand, München und Wien waren von Südtirol aus gesehen die nächstgelegenen Städte, in denen man Journalismus studieren konnte. Dann habe ich eine Münze geworfen ... naja, nicht ganz, aber das Studium in München hatte einfach den besten Ruf. Außerdem musste es etwas ganz Neues für mich sein. Die anderen Städte kannte ich damals schon.

sj: Wo sind Sie heute zu Hause?

Nössing: In München, aber im Herzen immer noch in Südtirol.

sj: Sie werden 2018 für Eurosport die Olympischen Spiele moderieren. Wenn Sie tauschen dürften: Wären Sie lieber auf der Piste dabei, oder ist Journalismus längst mehr als Plan B?

Nössing: Ich freue mich darauf, die Spiele als Journalistin zu erleben. Der Job ist so facettenreich und überraschend und damit genau das Richtige für mich. Das habe ich während des Studiums schon gemerkt, als ich bei der Zeitung und beim Fernsehen gejobbt habe.

sj: Ihre Karrierestationen sehen aus wie am Reißbrett entworfen. Gab es aus Ihrer Sicht Rückschritte?

Nössing: Das nehme ich mal als Kompliment. Es gab aber viele Momente des Grübelns und Zweifelns vor großen beruflichen Entscheidungen. Dann habe ich auf meinen Bauch gehört – und wenn ich jetzt zurückschaue, würde ich alles wieder so machen.

sj: Hatten Sie Phasen, in denen Sie grundsätzlich gezweifelt haben, ob die journalistische Sicht auf den Sport die richtige für Sie ist?

Nössing: Eigentlich nicht. Mich faszinieren die Geschichten, die hinter erfolgreichen Sportlern stecken und die Emotionen, die der Sport immer wieder auslöst. Dass ich selbst gefahren bin, sehe ich dabei ausschließlich als Vorteil, weil ich mich so besser in den Sportler hineinversetzen kann.

sj: Worin liegt der Hauptunterschied zwischen dem Leben als Aktive und dem der Berichterstatterin?

Nössing: Das harte Training würde ich sagen. Und das vermisse ich auch nicht.

Mit Birgit Nössing sprach Katrin Freiburghaus

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe Oktober/November 2017 des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.