Umsteigerin Jana Wiske – „Ich habe reine Theoretiker nie gemocht“

Serie „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“

22.09.2018 Sie war viele Jahre Redakteurin beim kicker, inzwischen ist Jana Wiske Professorin an der Hochschule Ansbach. Im sportjournalist-Interview erklärt sie, was sie an ihrer neuen Aufgabe so reizvoll findet und warum sie sich nicht vorstellen kann, wieder vollständig in den Journalismus zurückzukehren.
 
Jana Wiske volontierte nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre 2001 beim kicker und war bis 2017 Redakteurin. Die 43-Jährige promovierte 2016 an der Universität Erlangen-Nürnberg über die Bedeutung der Live-Berichterstattung im Sportjournalismus, im Oktober 2017 trat sie an der Hochschule Ansbach eine Professur in den Bereichen Ressortjournalismus und Unternehmenskommunikation an.

sportjournalist: Jana Wiske, erlaubt Ihnen Ihre Lehrtätigkeit, weiterhin selbst sportjournalistisch zu arbeiten?

Jana Wiske: Ich schreibe als freie Autorin. Aber ich muss das Planen heute anderen überlassen, weil ich nur noch Texte liefere. Früher habe ich die Seite nach meinen Vorstellungen aufreißen lassen und die Fotos rausgesucht, diese Umstellung fällt mir manchmal schwer.

sj: Wie sieht die Hochschule dieses Neben-Engagement?

Wiske: Es ist gewünscht, dass man die Nähe zur Praxis hält. Den Einblick in den realen sportjournalistischen Alltag nicht zu verlieren, hilft im Unterricht. Ich habe reine Theoretiker in meinem Studium nie gemocht, sondern die, die aus der Praxis erzählen konnten. Dasselbe versuche ich heute, wenn ich thematisch an Erlebnisse aus meinem Berufsleben anknüpfe. Ich habe das Gefühl, dass ich die jungen Leute damit erreiche.

sj: Sie selbst haben BWL studiert, obwohl Sie bereits als Kind Sportjournalistin werden wollten.

Wiske: Mein Vater sagte: „Lerne erst mal was Ordentliches.“ Ich hatte keinerlei Verbindungen, also habe ich eine solide Grundlage gelegt. Anschließend hatte ich das Glück, über das Praktikum beim kicker den Fuß in die Tür zu bekommen.

sj: Damals wie heute ist der Sportjournalismus eine Männer-Domäne. Können Sie Ihren Studentinnen zuraten?

Wiske: Ja. Sie müssen sich bewusst sein, dass sie noch immer Exotinnen sind, und damit umgehen können. Ihnen stehen nicht alle Türen offen, sie müssen fachlich gut sein und vielleicht ein bisschen mehr geben als Männer. Aber ich habe mich beim kicker immer als vollwertiges Mitglied der Redaktion gefühlt. Es ist mir nicht leicht gefallen, dort wegzugehen. Wir treffen uns regelmäßig mit einigen Kollegen zum Stammtisch.

sj: In Ihrer Dissertation arbeiten Sie heraus, dass weniger als zehn Prozent der Kolleg*innen Frauen sind. Worauf führen Sie das zurück?

Wiske: Beim Fernsehen ist es anteilig ein bisschen mehr. Aber grundsätzlich setzt ein Beruf, bei dem man kurzfristig zu einem Termin nach Los Angeles fliegen muss, eine Flexibilität voraus, die schwer mit einem Alltag mit Kindern zu vereinbaren ist, dessen Organisation noch immer zum Großteil an Frauen hängen bleibt. Darüber hinaus ist Fußball in Deutschland nach wie vor eine Männerbastion.

sj: Ist unter diesen Bedingungen eine Angleichung bei der Geschlechterverteilung zu erwarten?

Wiske: Wir haben im Ressortjournalismus den Schwerpunkt Sport. Dort herrscht ein fast ausgeglichenes Verhältnis. Möglicherweise hat das Fernsehen einen Anteil daran, weil die Verteilung dort auf den ersten Blick gleichmäßiger wirkt, wenn man sich die Moderationsanteile anschaut. Das könnte eine gewisse Vorbildfunktion für junge Damen haben, die in den Sportjournalismus gehen wollen.

sj: Hat sich Ihr Blick auf Ihren Berufsstand verändert, seit Sie an der Hochschule lehren?

Wiske: Er ist eine Spur theoretischer geworden. Im Sportjournalismus selbst hat man die Darstellungsformen halt angewendet, aber nicht jedes Mal von vorne durchdacht. Ich sehe den Sportjournalismus jetzt aus einer anderen Perspektive, auch der des Hinterfragens; etwa in Bezug auf ethisch-moralische Fragen oder darauf, ob bestimmte Abläufe noch zeitgemäß sind. Das hat man im Alltag weniger getan.

sj: Vermissen Sie die tägliche Arbeit in der Redaktion?

Wiske: Ich habe den Beruf wahnsinnig gerne ausgeübt und er fehlt mir manchmal sehr. Aber ich glaube, dass ich nicht noch mal vollständig zurückkehren wollen würde, weil ich etwas machen darf, das wunderbar ist.

Mit Jana Wiske sprach Katrin Freiburghaus

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