„Zeitlich deutlich ins Hintertreffen geraten“

DOSB-Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker im Interview – Teil I

01.06.2018 In Veronika Rücker steht erstmals eine Frau an der Spitze des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Die 48-Jährige, die das Amt Anfang 2018 von Michael Vesper übernahm, spricht mit dem sportjournalist über Motivation, Ziele und die ärgerliche Verzögerung bei der Umsetzung der Leistungssportreform.
 
sportjournalist:Frau Rücker, Sie haben zu Jahresbeginn das höchste sportliche Hauptamt in Deutschland angetreten, ist schon Alltag eingekehrt?

Veronika Rücker: Alltag, wie sieht der aus? Ich habe es bisher noch nicht erlebt, dass mal zwei Tage hintereinander gleich abgelaufen wären. Es gibt jeden Tag andere Herausforderungen in Form neuer Themenbereiche oder in deren Koordinierung. Zwischen all den Ansprüchen und Erwartungen, die an einen herangetragen werden, eine gute Balance zu finden und den Interessensausgleich zwischen 101 Mitgliedsorganisationen zu wahren, ist momentan mit Sicherheit eine der größten Herausforderungen.

sj: Kommen Ihnen Ihre Erfahrungen als Aktive und Ehrenamtliche dabei zugute?

Rücker: Ich glaube, dass das keine schlechte Voraussetzung ist, weil ich dadurch die verschiedenen Facetten, die die Menschen im Sport bewegen, gut nachvollziehen kann. Ich bin noch als Sportlerin aktiv, war es als Trainerin und habe lange Zeit ehrenamtlich in Verbänden gearbeitet. Ich kenne dadurch die Strukturen sehr gut, aber auch die Nöte und Sorgen aus den verschiedensten Perspektiven. Ich glaube, dass es für meine Tätigkeit sehr hilfreich ist.

sj: Können Sie eingrenzen, auf welchen Themen derzeit der Schwerpunkt liegt?

Rücker: Ich würde mal drei Themen herausgreifen. Ein Punkt ist mit Sicherheit, die Strategie des DOSB für die kommenden zehn Jahre festzulegen. Wir sind aktuell in intensiven Diskussionen mit unseren Mitgliedsorganisationen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Haus, um die Schwerpunkte der kommenden Jahre abzustimmen. Zweitens gilt es, den DOSB gut aufzustellen, der hier in Frankfurt mit knapp 200 Mitarbeitern Präsenz erfordert, und zu sehen, dass ich meinen eigenen Geschäftsbereich führe und gestalte – mit dem neuen Themenbereich Verbandsentwicklung, für den ich ja explizit geholt worden bin, aber auch mit den Bereichen Marketing, Kommunikation und Internationales. Der dritte Komplex ist, den Erwartungen von Politik, Medien und Gesellschaft gerecht zu werden.

sj: Inwieweit beeinflusst die Neubesetzung des bundespolitischen Kabinetts Ihre Arbeit?

Rücker: Eine Herausforderung ist der lange Zeitraum, bis es eine Bundesregierung gab, wir hätten uns deutlich früher eine Entscheidung gewünscht (Foto Bundesinnenminister Horst Seehofer: firo sportphoto/Augenklick). Ein gutes halbes Jahr ohne Planungssicherheit war für die Umsetzung der Leistungssportreform nicht hilfreich, da sind wir zeitlich deutlich ins Hintertreffen geraten.

sj: Gelten die finanziellen Zusagen der Vorgängerregierung noch?

Rücker: Das ist alles neu zu verhandeln. Im Koalitionsvertrag steht aber ein sukzessiver und nachhaltiger Aufbau der Mittel für die Umsetzung des Leistungssports, und wir gehen davon aus, dass sich die Bundesregierung an diese Zusagen hält.

sj: Was motiviert Sie zu Ihrer Tätigkeit?

Rücker: Wenn man in den ersten vier Monaten schon ein solches Ereignis wie die Olympischen Spiele miterleben durfte, weiß man, was das Besondere daran ist, im und für den Sport tätig zu sein. Das macht es für mich zu einer echten Herzensangelegenheit.

Mit Veronika Rücker sprach Katrin Freiburghaus. Lesen Sie im letzten Teil des zweiteiligen Interviews, was die DOSB-Vorstandsvorsitzende zu einer erneuten deutschen Olympia-Bewerbung sagt.

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe Juni/Juli 2018 des sportjournalist. Hier geht es zur Bestellung des Einzelheftes beim Meyer & Meyer Verlag. Mitglieder des VDS erhalten den alle zwei Monate erscheinenden sportjournalist automatisch per Post und können sich das Heft zudem im Mitgliederbereich kostenlos als PDF herunterladen. Dies gilt auch für ältere Ausgaben.