Umsteiger Hendrik Buchheister – „Die Bundesliga ist für viele englische Fans ein Sehnsuchtsort“

Serie „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“ – Teil II

26.10.2018 Die Fußball-Anhänger auf der Insel lieben die Bundesliga. Denn hierzulande sind Tickets vergleichsweise günstig. England-Korrespondent Hendrik Buchheister verrät im zweiten Teil des sportjournalist-Interviews, was ihn an der englischen Premier League reizt und warum er Manchester als Stadt London vorzieht.
 
Hendrik Buchheister, Jahrgang 1986, stammt aus Niedersachsen. Der Politikwissenschaftler arbeitete zuletzt aus Hamburg als freier Autor für renommierte Tageszeitungen und Onlinemedien. Seit Sommer 2017 ist Buchheister in Manchester und berichtet von dort vorwiegend über das sportliche Geschehen auf der Insel. Im ersten Teil des zweiteiligen Interviews ging es darum, weshalb die Stimmung in englischen Fußballstadien so lau geworden ist.

sportjournalist: Hendrik Buchheister, wie nehmen die englischen Fans stimmungsmäßig den Fußball in Deutschland wahr?

Hendrik Buchheister: Die Bundesliga ist für viele ein Sehnsuchtsort. Es gibt dort das, was sie in England heute vermissen: Stehplätze, günstige Eintrittskarten, Bier und Bratwurst, gute Stimmung sowie Vereine, die ihren Mitgliedern gehören und keinem Investor aus Asien oder dem arabischen Raum. Da ist natürlich viel Idealisierung dabei.

sj: Sind die im Vergleich zur Bundesliga teureren Tickets vielleicht nicht doch berechtigt, weil das Niveau des Dargebotenen deutlich höher ist?

Buchheister: Nein, das ist zu einfach. Nicht jede Begegnung in der Premier League ist ein Spitzenspiel. Partien wie West Brom gegen Leicester oder Newcastle gegen Stoke können ziemlich zähe Kost sein. Insgesamt finde ich die Premier League wegen der hohen Dichte an Topspielern interessanter als die Bundesliga.

sj: Auch Manchester City hat einige Stars. Der Klub hat sehr vom Einstieg eines Investors profitiert. Wie sehen die Fans diese Entwicklung?
 
Buchheister: Wenn City-Anhänger von der Übernahme durch Scheich Mansour Bin Zayed Al Nahyan sprechen, dann sprechen viele von ihnen voller Dankbarkeit. Nicht nur, weil er ihnen guten Fußball gebracht hat, sondern weil dessen Investitionen auch den einst ziemlich düsteren Stadtteil um das Stadion aufgewertet haben.

sj: Der traditionsreichere Klub ist dennoch United. Ist die Rivalität in Manchester größer als die zwischen BVB und S04?

Buchheister: Nein, die Rivalität der Manchester-Vereine lässt sich nicht mit dem Ruhrpottderby vergleichen. Die Fans von United nehmen City nicht wirklich ernst, weil das ihrer Meinung nach ein Mittelklasse-Klub ist, der nur durch Zufall zu Geld und Erfolg gekommen ist. Das größte Derby ist immer noch Manchester United gegen Liverpool (Foto United-Star Paul Pogba: firo sportphoto/Augenklick).

sj: Wie zeigt sich die Rivalität?

Buchheister: Die wird meinem Eindruck nach eher mit einem Augenzwinkern ausgelebt und nicht mit dem heiligen Ernst deutscher Derbys. Selbst bei meinem ersten Stadtduell in Glasgow zwischen Celtic und den Rangers habe ich keine Vermummten gesehen, dort war auch vergleichsweise wenig Polizei.

sj: Der britische Fußball hatte früher ein massives Gewaltproblem. Nun ist davon kaum noch etwas zu hören. Sind alle Probleme gelöst?
 
Buchheister: Ultras gibt es wie gesagt in England kaum. Und grundsätzlich würde ich sie auch nicht mit Problemen gleichsetzen. Die alten englischen Hooligan-Clans bestehen nur noch im Verborgenen. Bei Spielen mit traditionellen Hooligan-Rivalitäten, zum Beispiel West Ham United gegen FC Chelsea, kann es Probleme geben, die sind dann aber nur eine Randerscheinung.
 
sj: Hand aufs Herz – ist London die englische Fußballhauptstadt oder Manchester?

Buchheister: Klar, in London gibt es viel Fußball. Aber wenn Arsenal, Tottenham oder Chelsea spielen, bekommt man davon in anderen Stadtteilen nichts mit. London hat alles im Überangebot, da verliert sich der Fußball ein bisschen. In Manchester gibt es auf vergleichsweise kleinem Raum mit United den größten und mit City den aktuell besten englischen Klub. Fußball ist hier viel prägender und sichtbarer (Foto Tottenham-Star Harry Kane: firo sportphoto/Augenklick).
 
sj: Haben Sie manchmal Heimweh? Ist eventuell ein Umzug auf der Insel geplant?

Buchheister: Ich bin immer noch dabei, Manchester und das Land zu entdecken, da bleibt für Heimweh gar nicht viel Zeit. Außerdem ist man dank Billigfliegern schnell in Deutschland. Ein Umzug ist erst einmal nicht geplant. Zwar bin ich bei jedem London-Besuch wieder von der Stadt begeistert. Aber ich freue mich dann auch jedes Mal, wenn ich zurück in Manchester bin.

Mit Hendrik Buchheister sprach Clemens Gerlach

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe August/September 2018 des sportjournalist. Hier geht es zur Bestellung des Einzelheftes beim Meyer & Meyer Verlag. Mitglieder des VDS erhalten den alle zwei Monate erscheinenden sportjournalist automatisch per Post und können sich das Heft zudem im Mitgliederbereich kostenlos als PDF herunterladen. Dies gilt auch für ältere Ausgaben.