Aussteiger Mounir Zitouni – „Ich will von nun an Menschen helfen“

Serie „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“

15.09.2019 Als Fußballer brachte es Mounir Zitouni bis in die dritthöchste deutsche Spielklasse. Als Reporter berichtete er über die Bayern-Stars. Nun ist er Businesscoach und strebt wieder Kontakt auf Augenhöhe an. Im sportjournalist-Interview erklärt Zitouni, der am 15. September Geburtstag hat, was genau er in seinem neuen Betätigungsfeld vorhat.
 
Mounir Zitouni spielte als Fußballer für die U21-Nationalmannschaft Tunesiens und absolvierte 280 Drittliga-Spiele, ehe er 2005 die Seiten und zum kicker wechselte. Dort war der studierte Germanist zuletzt Bayern-Reporter. Anfang des Jahres veränderte er erneut seine Perspektive und machte sich in Frankfurt am Main als Businesscoach selbstständig. Am 15. September wird Zitouni 49 Jahre alt.

sportjournalist: Herr Zitouni, Sie haben dem Sportjournalismus den Rücken gekehrt. Haben Sie die vielen Bayern-Titel gelangweilt?

Mounir Zitouni: Mich hat eher die Art gelangweilt, mit der wir auf Erfolge und Misserfolge schauen. Diese Mechanismen: Der Trainer muss weg, der Spieler bringt es nicht, der Sportdirektor ist an allem schuld. Das habe ich als Berichterstatter auch mitgetragen, es entsprach aber immer weniger meinem Menschenbild.

sj: Wie äußerte sich das im Arbeitsalltag?

Zitouni: Ich habe mich nicht mehr damit anfreunden können, pauschale Urteile zu fällen. Denn Krisen und Fehler sind doch Teil von Entwicklungsprozessen. Ich strebte einen anderen Umgang mit Spielern und Trainern an. Deshalb habe ich noch mal eine neue Ausbildung begonnen. Ich will von nun an Menschen helfen, zum Beispiel aus Krisen, die ich bisher als Chronist begleitet hatte, mit Gewinn wieder herauszukommen.

sj: Gab es ein einschneidendes Ereignis, das Sie zum Umstieg bewogen hat?

Zitouni: Das war eher ein Prozess. Ich kann meine persönlichen Qualitäten am besten einbringen, wenn es eine ehrliche, vertrauensvolle Beziehung gibt. In den vergangenen Jahren ist der Zugang für Journalisten dafür im Profifußball immer restriktiver geworden. Journalisten werden immer öfter in die Rolle des Bittstellers gedrängt, was einen Kontakt auf Augenhöhe im Grunde unmöglich macht.

sj: Sie haben Ihre Ausbildung parallel zum Beruf absolviert. Wie waren die Reaktionen auf Ihre Pläne?

Zitouni: Bei vielen war die Überraschung groß, aber so wie ich als Fußballer das Gefühl hatte, dass mich mehr ausmacht, als gegen den Ball zu treten, so merkte ich nun, dass da ein Teil in mir ist, der sich nach einem echten und befruchtenden Austausch sehnt.

sj: Sie haben bei der Frankfurter Rundschau volontiert, während Sie noch beim FSV Frankfurt spielten (Foto Zitouni, hinten, in seiner Zeit beim OFC: GES-Sportfoto/Augenklick). Hat Ihnen der Fußball den Berufseinstieg erleichtert?

Zitouni: Für mich war es ein Glück, talentiert genug zu sein, um mit Fußball Geld zu verdienen, aber früh zu merken, dass es nicht für die ganz große Karriere langt, von der ich geträumt hatte. Für Spieler in der 3. oder 4. Liga ist es wichtig, zu verstehen, dass sie dieses Glück nutzen müssen. Wer sechsmal Training pro Woche hat, kann sich weiterbilden. Das ist ein Teil dessen, was ich künftig mit Spielern erarbeiten will, wenn es in Richtung Karriereende geht. Was macht mich aus? Wer bin ich eigentlich, wenn ich nicht mehr aktiv Fußball spiele?

sj: Gibt es weitere Anknüpfungspunkte für Ihre neue Aufgabe?

Zitouni: Ich kenne als ehemaliger Profispieler und Sportreporter alle Seiten. In meinen Augen sind Mentalitätsschulung und Persönlichkeitsentwicklung Bereiche, die im Fußball vernachlässigt werden. Das liegt gar nicht daran, dass die Vereine kein psychologisches Angebot haben, aber die Arbeit der Psychologen – das weiß ich aus vielen Gesprächen –, kommt bei Spielern kaum an, bei Trainern und Sportdirektoren noch weniger. In vielen Situationen gibt es aber großen Bedarf für ein Coaching, um persönlich voranzukommen.

sj: In vielen anderen Bereichen operieren Vereine bereits nah am Optimum.

Zitouni: Das stimmt, Technik, Physis und Taktik werden geschult. Aber die Verantwortlichen bestätigen gleichzeitig, dass es einen Mangel an Persönlichkeitsentwicklung gibt. Dabei ist dieser Faktor entscheidend dafür, dass ein Spieler oder Trainer seine Leistung im entscheidenden Moment auch abrufen kann. Das ist im Fußball nicht anders als sonst überall.

Mit Mounir Zitouni sprach Katrin Freiburghaus

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