Einsteiger Marius Buhl – „Zwei Leidenschaften vereinen“

Serie „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“

19.08.2019 Mit seiner Reportage über Marathonläufer gewann Marius Buhl den VDS-Nachwuchspreis. Ihn selbst zieht es sportlich auf die Pisten. Im sportjournalist-Interview erklärt der Freiburger, warum er so gerne Menschen porträtiert, die nicht im Rampenlicht stehen und was er aus der Relotius/Spiegel-Affäre gelernt hat.
 
Am Fuße des Freiburger Hausberges Schauinsland ist Marius Buhl aufgewachsen. Der diesjährige VDS-Nachwuchspreisträger, Jahrgang 1992, gehörte lange dem Alpin-Kader des DSV an, entschied sich aber um. Nach Volontariat und Henri-Nannen-Schule arbeitet Buhl als freier Journalist von Berlin und Freiburg aus für Medien wie Tagesspiegel, Zeit oder Süddeutsche Zeitung.
 
sportjournalist: Herr Buhl, wir hätten Ihnen sehr gerne persönlich gratuliert. Doch zur VDS-Gala mit den Ehrungen in den Berufswettbewerben konnten Sie leider nicht nach Berlin kommen. Was war Ihnen widerfahren?

Marius Buhl: Ich hatte mir Ende März im rechten Knie beim Skifahren das Kreuzband gerissen. Dazu kamen noch ein Meniskusschaden und Knochenabsplitterungen. Es geht zum Glück kontinuierlich voran, ich mache täglich meine Reha-Übungen und bekomme Physiotherapie.

sj: Wie kommen Sie damit klar, dass es Monate dauert, bis Sie gänzlich wiederhergestellt sind?

Buhl: Ich kenne solch ein Programm schon. Bereits 2011 hatte ich mir das Kreuzband gerissen, damals im linken Knie. Es ist eine Zwangspause, die umso mehr Lust macht, danach wieder in den Beruf zu starten.
 
sj: War diese schwere Verletzung der Grund, warum Sie mit dem Skifahren als Leistungssport aufgehört haben?
 
Buhl: Nicht der einzige, aber am Ende der ausschlaggebende. Ich hätte sehr viel trainieren müssen, um mit den Besten meines Jahrgangs wieder mithalten zu können. Zudem wollte ich studieren. Auf der anderen Seite war ich sehr traurig wegen des Endes meiner Sportkarriere, es war ja mein Lebensinhalt.
 
sj: Wie sind Sie dann in die Medienbranche gelangt?
 
Buhl: Ich studierte Jura im fünften Semester, als ich das Angebot der Badischen Zeitung bekam, dort ein Volontariat zu absolvieren. Diese Chance wollte ich nutzen und das Studium danach abschließen. Besonderen Spaß machte mir das Schreiben über Sport. Da konnte ich zwei Leidenschaften vereinen.
 
sj: Inzwischen haben Sie Ihren Beritt deutlich erweitert und schreiben auch über Abschiebungen oder Armut. Wie passt das mit dem Sport zusammen?
 
Buhl: Das ist das Schöne an diesem Beruf. Ich kann über das schreiben, was ich wichtig und spannend finde. Auch im Sport, der ja eine Projektionsfläche für alle möglichen Themen ist. Psychologische – man gewinnt, man verliert. Gesellschaftspolitische – es geht um Doping oder Korruption. Und immer noch darum, was der menschliche Körper leisten kann. Als Reporter habe ich den österreichischen Skistar Marcel Hirscher, den wahrscheinlich besten Skifahrer aller Zeiten, mal drei Tage lang begleiten dürfen und unglaublich viel über absolute Hingabe gelernt.

sj: In Ihrer Reportage, mit der Sie den geteilten ersten Nachwuchspreis gewonnen haben und später auch den Theodor-Wolff-Preis, geht es um Marathonläufer, die abgeschlagen ins Ziel kommen oder sogar aufgeben mussten. Haben Sie ein Faible für Verlierer?
 
Buhl: Es sind ja nur vordergründig Verlierer (Marathon-Foto: Foto-Agentur Kunz/Bernhard Kunz/Augenklick). Einer der Teilnehmer hatte seine Frau verloren und ist für sie den Marathon mitgelaufen, bei Kilometer 13 musste er aufgeben. Ich halte ihn und die anderen, die ich porträtiert habe, für Gewinner.
 
sj: Sie schreiben vorwiegend Reportagen. Durch den Relotius/Spiegel-Skandal geriet dieses Genre zuletzt stark in die Kritik. Wie sehen Sie das?
 
Buhl: Ich habe während meines Volontariats und an der Henri-Nannen-Schule gelernt, dass die Darstellungen der Wahrheit entsprechen müssen. Gleichzeitig glaube ich, dass die Debatte nach Claas Relotius vor allem für mich als Reporter, der erst in den Beruf startet, eine Chance bietet, über unser Schaffen nachzudenken. Was Relotius neben klaren Fälschungen ja auch betrieben hat, ist eine Hyper-Ästhetisierung der Wirklichkeit. Dass letztere selten eindeutig ist, müssen Texte abbilden. Und vielleicht muss man auch stärker als früher die eigene Rolle als Beobachter thematisieren.
 
sj: Haben Sie schon Veränderungen seit Bekanntwerden der Fake-Storys feststellen können?

Buhl: Ich schlug einer Redaktion jüngst eine Geschichte vor, die fand der betreuende Redakteur traurig-schön, aber auch unglaubwürdig. Es ging um die Lebensgeschichte eines Mannes. Ich sollte schon, bevor ich den Mann treffen durfte, Quellen nennen, die die Geschichte belegen. Diese Skepsis empfinde ich als neu, aber richtig.

Mit Marius Buhl sprach Clemens Gerlach (der Autor gehörte zur Jury des Nachwuchspreises)

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe August/September 2019 des sportjournalist. Hier geht es zur Bestellung des Einzelheftes beim Meyer & Meyer Verlag. Mitglieder des Verbandes Deutscher Sportjournalisten erhalten den alle zwei Monate erscheinenden sportjournalist automatisch per Post und können sich das Heft zudem im Mitgliederbereich kostenlos als PDF herunterladen. Dies gilt auch für ältere Ausgaben.