„Mir geht es nicht um mich, sondern um den Sport“

ARD-Ski-Experte Felix Neureuther im Interview – Teil III

26.11.2019 Das Publikum soll wieder direkter an den Wintersport heran. Das wünscht sich jedenfalls Felix Neureuther. Auf sportjournalist.de erklärt der frühere Skirennfahrer und heutige ARD-Experte im dritten und letzten Teil des Interviews, wie die Annäherung vonstatten gehen soll.
 
Felix Neureuther hat die Seiten gewechselt. Der ehemalige Skirennläufer, der im März dieses Jahres aufgehört hat, arbeitet jetzt in der Sportredaktion des Bayerischen Rundfunks. Während seiner aktiven Laufbahn gewann der 35-Jährige 13 Weltcuprennen. Im ersten Teil des dreiteiligen Interviews lasen Sie, welch großen Respekt Neureuther vor der Live-Berichterstattung hat. Teil zwei widmete sich einer kritischen Aufarbeitung der Medienarbeit hierzulande.

sportjournalist: Herr Neureuther, sehen Sie auch Gelungenes in der Berichterstattung, nicht nur im Fernsehen?

Felix Neureuther: Ich kann ja nur vom Skifahren sprechen. Das Positive für mich ist, dass der Sport überhaupt noch übertragen wird (lacht). Es muss ja überall gespart werden, man versucht oft mit minimalistischem Aufwand trotzdem was Vernünftiges zu schaffen. Dass man da weiter Geld in die Hand nimmt, um ein vernünftiges Produkt zu kreieren, das wird nur noch selten gemacht.

sj: Wir haben jetzt viel darüber geredet, was Medien gut machen und weniger gut. Auch Sportler werden von uns Journalisten oft dafür kritisiert, wie sie in den Medien auftreten, zum Beispiel mit einstudierten Floskel-Antworten.

Neureuther: Es muss ja gar nicht jeder ein Lautsprecher sein und über Missstände schimpfen. Ich glaube, es würde schon reichen, wenn jeder so auftritt wie er ist – im Guten wie im Schlechten. Das ist ja auch was Schönes, wenn sich Menschen an jemandem reiben können, oder wenn jemand sagt, er lässt seine Erfolge für sich sprechen. Im Wintersport geht es ja eh noch, aber speziell im Fußball merkst du schon, wenn da auch ein Verein dahintersteht, dass sich da kaum einer mehr traut, den Mund aufzumachen.

sj: Wie bewerten Sie das?

Neureuther: Das finde ich dann schon schade, dass Menschen sich zurückhalten, obwohl sie gerne etwas sagen würden. Wir tun der Gesellschaft als Sportler ja schon gut. Wenn Kinder uns im Fernsehen sehen, dann begeistert sie das und sie bewegen sich. Da hast du ein Stück weit auch eine Vorbildfunktion. Ich glaube, dass das vielen gar nicht so richtig bewusst ist.

sj: Sie haben als Athlet immer sehr offen über Missstände gesprochen, vor allem über Gigantismus bei Olympischen Spielen. Werden Sie dieses offene Visier auch als Experte fürs Fernsehen behalten, das ja nicht wenig Geld bezahlt, um Großereignisse übertragen zu dürfen?

Neureuther: Na klar. Das ist nun mal meine Meinung. Mir geht es da auch gar nicht um mich, sondern um den Sport, das war mir schon immer sehr wichtig. Wenn ich das Gefühl habe, dass da was falsch läuft – und das tut es, wenn man allein hört, wie kritisch viele Menschen heute zum Spitzensport stehen –, dann muss das angesprochen werden. Sonst reagieren die Sportverbände gar nicht.

sj: Was müssten die Verbände noch tun? Viele klagen auch über die immer größere Präsenz des Fußballs.

Neureuther: Ich sehe da schon auch den Sport in der Pflicht. Was der Wintersport unbedingt wieder schaffen muss ist, dass er noch nahbarer wird, als er eh schon ist. Zum Beispiel im Slalom: Da macht es überhaupt keinen Sinn, dass das Netz 30 oder 40 Meter weit weg vom Kurs steht. Die Zuschauer können zehn Meter nah dran sein! Oder im Zielgelände: Da reichen auch 50 Meter zum Abschwingen, nicht 200. Die Leute müssen hautnah erleben, was in diesem Sport abgeht, sie müssen die Dynamik und Geschwindigkeiten spüren. Da müssten sich die Verbände nur mal trauen.

Mit Felix Neureuther sprach Johannes Knuth. Der Autor ist unter anderem Ski-alpin-Reporter der Süddeutschen Zeitung. Dieses Interview stammt aus der Ausgabe Oktober/November 2019 des sportjournalist. Hier geht es zur Bestellung des Einzelheftes beim Meyer & Meyer Verlag. Mitglieder des Verbandes Deutscher Sportjournalisten erhalten den alle zwei Monate erscheinenden sportjournalist automatisch per Post und können sich das Heft zudem im Mitgliederbereich kostenlos als PDF herunterladen. Dies gilt auch für ältere Ausgaben.