„Hier zeigt sich die zivilgesellschaftliche Kraft des Vereinssports“

Journalismus-Aussteiger Friedhard Teuffel im Interview

02.06.2020 Früher Journalist, nun Direktor des Landessportbundes Berlin. Im ersten Teil des dreiteiligen Interviews aus der sportjournalist-Serie „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“ spricht VDS-Mitglied Friedhard Teuffel über die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf den Vereinssport und Entwicklungen, die ihm Hoffnung machen.
 
Seine journalistische Laufbahn begann Friedhard Teuffel, Jahrgang 1974, als Berlin-Korrespondent der FAZ-Sportredaktion. Später ging der Politikwissenschaftler zum Tagesspiegel. Dort war der gebürtige Mainzer Reporter, Sportchef und zuletzt verantwortlicher Redakteur im Ressort Meinung/Causa. Seit Oktober 2018 ist Teuffel, Mitglied im Verband der Sportjournalisten Berlin-Brandenburg und passionierter Tischtennisspieler, Direktor des Landessportbundes Berlin und unter anderem für die Leitung der Verwaltung verantwortlich. Dem LSB gehören rund 2500 Vereine mit 670.000 Mitgliedern an.

sportjournalist: Herr Teuffel, welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf den Breiten- beziehungsweise Vereinssport in Berlin?

Friedhard Teuffel: Einerseits setzt die Krise die Vereine enorm unter Druck. Vereine dürfen eben im Gegensatz zu Unternehmen keine großen Rücklagen bilden. Wo sollen sie also jetzt Geld hernehmen, um Ausfälle auszugleichen? Ausfälle durch den ruhenden Sportbetrieb, ausgefallene Turniere, abgesagte Kurse, geschlossene Vereinsgaststätten. Andererseits setzt diese Krise auch große Solidarität und Kreativität frei. Mitglieder wissen noch mehr zu schätzen, was sie an ihrem Verein haben. Und Vereine machen mit ihren Übungsleiterinnen und Übungsleitern großartige Online-Angebote, um ihre Mitglieder weiter zu bewegen.

sj: Welche Rückmeldungen erreichen Sie von den betroffenen Vereinen und Verbänden?

Teuffel: Zu spüren ist zunächst eine große Sorge und Unsicherheit. Was haben wir von alldem zu halten? Wie geht es weiter? In den Gesprächen merkt man, dass Vereine da die Stimmung in der Gesamtbevölkerung ziemlich gut repräsentieren. Sie bewegen sich eben in der Mitte der Gesellschaft. Gleichzeitig bekommen wir mit, wie Vereine beispielsweise Einkaufsdienste für Menschen aus der Nachbarschaft übernehmen. Wie schon 2015, als viele Geflüchtete nach Deutschland kamen, zeigt sich hier die zivilgesellschaftliche Kraft des Vereinssports.

sj: Was wird getan, um die Folgen zu mindern? Wer handelt dort und wie?

Teuffel: Wir sind dankbar, dass es Instrumente wie das Kurzarbeitsgeld auf Bundesebene gibt, das viele Vereine und Verbände gerade massiv entlastet, auch uns im Landessportbund. Hinzu kommen Soforthilfepakete etwa für Soloselbständige, davon können auch Trainerinnen und Trainer profitieren. Der Berliner Senat hat uns einen Rettungsschirm zugesagt, um die Arbeit und insbesondere die Vielfalt in der Berliner Vereinslandschaft zu sichern. Als Landessportbund versuchen wir, unsere Vereine und Verbände so gut es geht zu beraten und uns politisch für sie einzusetzen.

sj: Wie werden die Vereine und Verbände die Coronakrise überstehen?

Teuffel: Das wird vor allem davon abhängen, wie viele Menschen aus den Vereinen austreten. Bis jetzt wissen wir von keiner Austrittswelle. Ein Stichtag ist nun der 30. Juni. Danach wird sich das Bild schärfen. Ich hoffe nach wie vor, dass sich die Austritte in Grenzen halten, weil viele Menschen zu schätzen wissen, dass sie in ihrem Sportverein für einen vergleichsweise überschaubaren Beitrag ein tolles Bewegungsangebot in Gemeinschaft bekommen.

Mit Friedhard Teuffel sprach Clemens Gerlach

Dieses Interview stammt aus dem sportjournalist, es wurde für die Online-Veröffentlichung aktualisiert. Hier geht es zur Bestellung von sj-Jahresabonnement und Einzelheften beim Meyer & Meyer Verlag. Mitglieder des VDS erhalten den alle zwei Monate erscheinenden sportjournalist automatisch per Post und können sich das Heft zudem im Mitgliederbereich kostenlos als PDF herunterladen. Dies gilt auch für ältere Ausgaben. Lesen Sie im zweiten Teil des dreiteiligen Interviews mit Friedhard Teuffel, weshalb er nach 20 Jahren dem Journalismus den Rücken gekehrt hat.