„Es fehlen klare Linien“

Nachwuchspreisträger Markus Sutera im Interview – Teil I

01.11.2020

Im ersten Teil des zweiteiligen sportjournalist-Interviews aus der Serie „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“ spricht Nachwuchspreisträger Markus Sutera über seine Siegergeschichte, in der es um einen transsexuellen Jugendkicker geht. Er schildert, wie schwer es solche Menschen im Sport noch immer haben.

 

Der Sieger des Nachwuchspreises von Deutschem Olympischem Sportbund und Verband Deutscher Sportjournalisten ist Markus Sutera. Der Sportpublizist, Absolvent der Universität Tübingen, gewann die 2019er-Auflage mit seinem Porträt eines transsexuellen Jugendfußballers („Ausgewechselt“). Sutera, Jahrgang 1995, wurde in Schwäbisch Gmünd groß. Derzeit lebt und arbeitet der redaktionelle Mitarbeiter des Spiegel in Hamburg. Er ist seit 2010 Fußballschiedsrichter und leitet bei den Herren Spiele bis zur Landesliga.

sportjournalist: Herr Sutera, in Ihrem preisgekrönten Text schildern Sie, wie aus Antonia Anton wurde und mit welch großen Herausforderungen dieser Weg verbunden war. Was hat Ihnen am Protagonisten vor allem imponiert?

Markus Sutera: Dass Anton sich nicht beirren ließ, auch wenn es schwierige Phasen gab. Er ist sehr reflektiert und will seine Erfahrungen an andere weitergeben.

sj: Was für Erfahrungen sind das?

Sutera: Themen wie Trans- oder Intersexualität waren stets da, sie sind nicht neu. Neu ist aber, dass sie sich immer mehr zeigen. Die Betroffenen werden mutiger, die Gesellschaft wird offener. Ich bin sehr zuversichtlich, dass sich etwas tut. Wir haben nach Erscheinen des Artikels etliche positive Nachrichten von Vereinen bekommen.

sj: Wie aufgeschlossen sind die Vereine Ihrer Einschätzung nach?

Sutera: Das ist sehr unterschiedlich. Es hängt davon ab, ob jemand da ist, der sich kümmert. Es gibt vielfach schon Ansprechpartner, doch eine wirkliche Hilfe sind die oftmals für die transsexuellen Menschen nicht.

sj: Liegt das an deren Desinteresse?

Sutera: Nein, das würde ich nicht sagen. Ich möchte niemandem einen Vorwurf machen. Vieles geschieht oft aus Unsicherheit heraus. Wie gehe ich auf sie oder ihn zu? Wie nenne ich die Person? Da gibt es noch keine Gewohnheit, der Umgang ist noch nicht eingespielt. Damit es besser wird, braucht es von Vereinsseite Personen, die offen damit umgehen.

sj: Was können die Verbände tun?

Sutera: Anton hätte sich Infos und Vorgaben gewünscht. Es fehlen in der Tat klare Linien im Amateurbereich. Es sollte so sein, dass die- oder derjenige bei denen mitspielen darf, zu denen sie oder er sich zugehörig fühlt. Es ist zudem für die Psyche erleichternd, wenn die Transsexuellen früher dabei sein dürfen und nicht erst nach erfolgter Geschlechtsangleichung und Namensänderung (Foto Sutera als Schiedsrichter: privat).

sj: Was hatte Sie dazu bewogen, sich mit Ihrem Artikel beim Nachwuchspreis zu bewerben?

Sutera: Das passierte eher zufällig. Als ich die Ausschreibung und das vorgegebene Thema „Geschlechtergerechtigkeit im Sport“ gesehen hatte, dachte ich, dass der Text perfekt passt. Der war gerade ein paar Tage alt.

sj: Hatten Sie sich etwas ausgerechnet?

Sutera: Für mich kam der erste Preis absolut überraschend. Mit so einer Auszeichnung sollte man nicht rechnen. Ich freue mich sehr. Ob einem eine gute Geschichte gelingt, hängt aber auch immer vom Protagonisten ab. Der muss bereit sein, offen zu erzählen und zu erklären. Bei Anton war dies zum Glück der Fall.

Mit Markus Sutera sprach Clemens Gerlach; er gehört der Jury des Nachwuchspreises an. Lesen Sie im zweiten und letzten Teil des Interviews mit Markus Sutera, wie er dazu gekommen ist, Fußballschiedsdrichter zu werden und was ihn an dieser Tätigkeit reizt.

Dieses Interview stammt aus dem sportjournalist, es erscheint online in einer zweigeteilten Fassung. Hier geht es zur Bestellung von sj-Jahresabonnement und Einzelheften beim Meyer & Meyer Verlag. Mitglieder des VDS erhalten den alle zwei Monate erscheinenden sportjournalist automatisch per Post und können sich das Heft zudem im Mitgliederbereich kostenlos als PDF herunterladen. Dies gilt auch für ältere Ausgaben.