„Ein Glücksfall für mich“

Neuseeland-Auswanderer Kai Schwörer im Interview – Teil II

17.02.2021 Neuseeland hat es ihm angetan. Mit seiner Familie lebt Kai Schwörer dort. Im zweiten und letzten Teil des Interviews aus der sportjournalist-Reihe „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“ erzählt der freie Fotograf, dem dem Verband Westdeutscher Sportjournalisten angehört, über glückliche Fügungen, Tsunami-Warnungen um Mitternacht und seine neueste berufliche Leidenschaft.
 
Kai Schwörer, Jahrgang 1982, studierte Geschichte und Politik und arbeitete beim Reviersport, ehe er sich als Fotograf selbständig machte. Er fotografierte bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften und wurde mehrfach für seine Arbeit ausgezeichnet. 2015 wanderte das Mitglied des Verbandes Westdeutscher Sportjournalisten nach Neuseeland aus und landete im vergangenen Jahr auf der Shortlist für das „Cricket-Foto des Jahres“. Im ersten Teil des zweiteiligen Interviews erklärte Schwörer, welche Gründe ihn ans andere Ende der Welt verschlagen haben. Nach einem harten Lockdown hat der Ozeanien-Staat die Coronavirus-Pandemie weitgehend in den Griff bekommen.

sportjournalist: Herr Schwörer, sind Sie mit einem Vertrag oder Auftrag nach Neuseeland gegangen?

Kai Schwörer: Ich hatte nur einen losen Kontakt zu Getty, aber die hatten damals schon jemanden in Christchurch, den ich aber später abgelöst habe, als er wegzog. Das war ein Glücksfall für mich. Im ersten Jahr habe ich aber schreiben müssen, weil ich nicht genug Aufträge hatte. Ich habe für deutsche Zeitungen Cricket als Sportart ziemlich zerrissen. Ich habe geschrieben, dass Spieler während des Spiels Autogramme schreiben können, so behäbig sei das Spiel. Das würde ich heute nicht mehr schreiben. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich das Spiel verstanden habe.

sj: Sie waren ausgerechnet für das „Cricket-Foto des Jahres“ auf der Shortlist.

Schwörer: Preise sind ja immer schön. Aber dass ich da Finalist bin, hat mir bisher am meisten bedeutet, weil ich an diesem Sport anfangs wirklich verzweifelt bin. Ich habe hier 2015 kurz nach dem Umzug direkt mit der Cricket-Weltmeisterschaft angefangen, ohne eine Idee vom Spiel zu haben (Foto: Kai Schwörer, links, und der neuseeländische Surfer Billy Stairmand: Kai Schwörer).

sj: In Deutschland lag der Schwerpunkt vermutlich auf anderen Sportarten.

Schwörer: Im Wesentlichen auf einer. Wenn man in Deutschland als Freier mit Sportfotografie Geld verdienen möchte, bedeutet das zu 95 Prozent Fußball. Das ist hier natürlich völlig anders. Cricket ist Sommersport und Rugby Wintersport, und daneben haben noch andere Sportarten nicht nur eine Daseinsberechtigung, sondern auch ein Publikum. Netball zum Beispiel.

sj: Ihr Portfolio umfasst auch Reisefotografie, wie kam dieser Ressortwechsel zustande?

Schwörer: Als ich hier ankam, war die neuseeländische Tourismusbehörde mein erster Auftraggeber. Mittlerweile fotografiere ich hauptsächlich Sport für Getty, während des Corona-Lockdowns waren auch viele News-Termine dabei. Aber ich spezialisiere mich in der Reisefotografie gerade ein bisschen in Richtung Unterwasserfotografie.

sj: Das ist auch eher kein Ausbildungsberuf, richtig?

Schwörer: Nein. Das ist eine Leidenschaft. Man muss Geduld, Training und Euphorie investieren, aber all das habe ich gerade. Es ist etwas ganz anderes, weil man mit einer Kamera im Arm schwimmen muss und unter Umständen Stunden im Wasser verbringt, um dann ohne Fotos wiederzukommen. Ich hatte das große Glück, bisher beruflich immer das machen zu können, was meine Leidenschaft war. Studiert habe ich eigentlich nur, um an gute Praktika zu kommen. Ich habe nie im Bereich Geschichte oder Politik gearbeitet.

sj: Dabei passieren in Christchurch ja ausreichend Dinge, die für das Geschichtsbuch taugen.

Schwörer: Eigentlich ist jedes Jahr irgendwas. Die schweren Erdbeben waren, bevor wir hergezogen sind. Aber im ersten Jahr hatten wir Überschwemmung, im nächsten wochenlang riesige Feuer auf den Hausbergen, im Jahr darauf mitten in der Nacht ein Erdbeben. Weil wir am Wasser wohnen, mussten wir wegen der Tsunami-Gefahr aus dem Haus. Wir hatten Freunde zu Besuch und haben dann alle zusammen bei Freunden auf dem Berg übernachtet. 2018 waren die Terror-Anschläge. Das ist eine Menge. Und das beschäftigt einen. Es hat unsere Begeisterung für Christchurch aber nicht geschmälert, weil die Gemeinschaft nach jedem dieser Ereignisse näher zusammengerückt ist.

sj: Sie gehören weiterhin dem VDS an. Planen Sie, nach Deutschland zurückzuziehen?

Schwörer: Das können wir uns gerade nicht vorstellen. Aber es gibt für mich keinen Grund auszutreten. Es ist ein bisschen so etwas wie eine Verbindung, eine Hintertür.

Mit Kai Schwörer sprach Katrin Freiburghaus

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