„Ich bin eher als Skeptiker an die Strecke gekommen“

F1-Aussteiger Kai Ebel im Interview

14.12.2020 Jüngst endete die Formel-1-Saison 2020. In insgesamt 498 Rennen war Kai Ebel für RTL als Reporter dabei, nun ist Schluss. Im Interview der sportjournalist-Reihe „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“ spricht der studierte Diplom-Sportlehrer über stromlinienförmige Sportler, freche Fragen und seine berufliche Zukunft.
 
Kai Ebel berichtete seit 1988 für RTL von der Formel 1. Weil der Kölner Privatsender sein Rechtepaket abgab und die wichtigste Klasse im Motorsport ab 2021 nicht mehr live überträgt, war der Abschied von Ebel, Jahrgang 1964, nach der Saison am 13. Dezember geplant. Die Corona-Pandemie setzte aber einen früheren Schlusspunkt hinter die Zusammenarbeit mit dem Reporter, der neben seinen Interviews auch für seinen extravaganten Kleidungsstil bekannt ist.

sportjournalist: Herr Ebel, am zweiten Dezember-Sonntag endet die Formel-1-Saison 2020. Ihr Abschied von der Strecke kommt wegen der Reise- und Kontaktbeschränkungen eher. Wie geht es Ihnen damit?

Kai Ebel: Das ist überhaupt nicht schön. Aber man muss ehrlich sein – die Bedingungen in dieser Saison hatten nichts mit denen aus den Jahren davor zu tun. Alles, was den Sport ausmacht, hat gefehlt. Es ist schön, dass es überhaupt ging, aber es war nicht das, wofür wir das machen. Da steht am Ende ein Sieger auf dem Podest – und niemand applaudiert. Wenn in Mexiko 100.000 Menschen jubeln, ist das einfach was anderes.

sj: Welchen Stellenwert hat die Formel 1 in Ihrem (Berufs-)leben?

Ebel: Ich habe das über ein Vierteljahrhundert gemacht, 498 Rennen vor Ort waren ein Großteil meines Arbeitslebens. Dadurch bekommt man irgendwann unweigerlich auch einen persönlichen Bezug zur Formel 1.

sj: Hatten Sie den anfangs nicht?

Ebel: Nein, das ist eine gewordene Liebe. Ich bin nicht als Formel-1-Fan an die Strecke gekommen, sondern eher als Skeptiker, der davon wenig überzeugt war. Aber dann habe ich mich umgeguckt und die Ausmaße überblickt – das war im Prinzip wie alle 14 Tage eine Fußball-WM.

sj: Was hat der rasante technische Fortschritt mit der Formel 1 gemacht?

Ebel: Früher musste man sich darauf verlassen, was der Fahrer sagte. Mittlerweile ist der Pilot gläsern, man sieht genau, wann und wo der bremst – deshalb freuen wir uns ja immer so, wenn mal was Unvorhergesehenes passiert. Regen!

sj: Mit welcher Folge?

Ebel: Dann sind die ganzen Ausrechner plötzlich mit ihrem Latein am Ende, und der Fahrer muss wieder selbst eingreifen. Der Vorteil ist, dass die Formel 1 sicherer geworden ist. Andererseits wünschen sich viele Piloten weniger Fahrhilfen, damit das Fahrkönnen im Vordergrund steht und die Formel 1 nicht zu einem reinen Ingenieurssport verkommt.

sj: Sie waren für direkte Fragen bekannt – nicht immer gab es direkte Antworten. Wie authentisch sind Interviews mit Fahrern?

Ebel: Die Aussagen gleichen sich insgesamt sehr an und sind teilweise allgemeines Konzern-Marketing-Gerede. Auch da gab es eine Entwicklung, es ist über die Jahre klinischer geworden. Es wurden immer weniger Originale, man freute sich direkt, wenn sich mal zwei zankten – aber da schlugen beim Rennstall gleich alle panisch die Hände überm Kopf zusammen. Dabei gucken die Fans doch genau wegen dieser Emotionen. Was haben die Leute Michael Schumacher geliebt. Und der war nie zimperlich (Ebel-Foto: Fotoagentur Kunz/Ralf Moray/Augenklick).

sj: Gibt es Fahrer, die sich dem Trend entzogen haben?

Ebel: Es gab immer ein paar, die unverblümt geradeaus waren. Max Verstappen, Nico Hülkenberg, das hat immer großen Spaß gemacht. Auch Sebastian Vettel redet gerne Klartext und war immer für einen Spaß gut.

sj: Hat es Ihnen geholfen, dass Sie irgendwann selbst ein bekanntes Gesicht der Formel 1 waren?

Ebel: Natürlich ist es einfacher, wenn man selbst eine Marke ist, als wenn man sein erstes Interview führt. Da wird man schnell mal abgewatscht. Wenn man lange dabei ist, kann man sich auch mit den Etablierten anlegen. Ich hatte Interviews mit Lewis Hamilton, in denen ich ihm gesagt habe, dass wir das auch lassen können, wenn er keine Lust hat.

sj: Wie geht es für Sie weiter?

Ebel: Vorstellen kann ich mir alles. Aber so, wie es gerade läuft, denke ich nicht verstärkt über die Formel 1 nach. Ich überlege grundsätzlicher, was mir Spaß macht. Aber ich denke schon, dass ich dem Fernsehen erhalten bleibe.

Mit Kai Ebel sprach Katrin Freiburghaus

Dieses Interview stammt aus dem sportjournalist. Hier geht es zur Bestellung von sj-Jahresabonnement und Einzelheften beim Meyer & Meyer Verlag. Mitglieder des VDS erhalten den alle zwei Monate erscheinenden sportjournalist automatisch per Post und können sich das Heft zudem im Mitgliederbereich kostenlos als PDF herunterladen. Dies gilt auch für ältere Ausgaben.