Umsteigerin Anja Perkuhn

„Schöne Geschichten vom Gelingen erzählen“

11.02.2023

Anja Perkuhn hat lange Jahre als (Sport-)Journalistin gearbeitet, nun schreibt sie für Kinder. Im Interview der sportjournalist-Serie „Einsteiger, Umsteiger, Aussteiger“ berichtet sie, warum sie der Wechsel glücklich gemacht hat.

 

Anja Perkuhn, Jahrgang 1986, studierte in Bremen internationalen Fachjournalismus und volontierte bei der Süddeutschen Zeitung. Sie war Teil der Berliner Sportredaktion der dpa und als freie Mitarbeiterin unter anderem für 11Freunde, Weser-Kurier, Berliner Zeitung, Deutschlandfunk und Süddeutsche Zeitung tätig, ehe sie als Redakteurin in den Lokalteil der Münchner AZ und damit das Ressort wechselte. Seit 2019 ist sie Autorin bei Blue Ocean Entertainment. Das Stuttgarter Kindermedienhaus („Wir begeistern mit Begeisterung!“) gehört zu Burda und veröffentlicht unter anderem Titel wie „Prinzessin Lillifee“, „Benjamin Blümchen“ oder „Wickie“. Perkuhn ist hauptverantwortlich für einige Einzelpublikationen.
 
sportjournalist: Frau Perkuhn, hat sich etwas drastisch verändert, seit Sie für Kinder schreiben?
 
Anja Perkuhn: Die Leserbriefe! Ich weiß schon, dass man sich vor allem generalisierende Kritik nicht zu Herzen nehmen sollte. Erwachsene schreiben grundsätzlich eher, wenn sie unzufrieden sind, als um etwas zu loben. Aber gerade bei gesellschaftlich tatsächlich schwierigen Themen kostete es enorm Kraft, unsachliches Feedback einfach wegzustecken, weil man selbst ja zusätzlich in derselben Welt lebt, die diese Menschen so frustriert. Und jetzt bekomme ich Leserpost, die mit „Guck mal, ich hab einen Drachen gemalt!“ anfängt. Wie schön ist das? Es macht Spaß zu wissen, dass man für jemanden schreibt, der tendenziell dazu bereit ist, zu hoffen, dass alles gut wird.
 
sj: Wie verantwortlich ist es, diese Tendenz zu bedienen?
 
Perkuhn: Es geht nicht darum, Kinder anzulügen oder Dinge zu beschönigen. Aber einem Achtjährigen muss man auch nicht unentwegt erzählen, er solle jetzt gefälligst mal die Welt retten – das ist nicht seine Aufgabe. Wir haben Wissenstitel, aber der Großteil unserer Hefte dreht sich um Dinge, die keinen anderen Zweck erfüllen, als Spaß zu machen. Aber auch dabei kann man für Probleme sensibilisieren und – vielleicht noch wichtiger – schöne Geschichten vom Gelingen erzählen. Natürlich suchen unsere Figuren immer irgendeinen Kristall oder ein magisches Schwert. Aber im Kern kommen sie zusammen und schaffen gemeinsam etwas (Perkuhn-Foto: privat).
 
sj: Vermissen Sie das journalistische Arbeiten?
 
Perkuhn: Nein, denn es ist weiter Bestandteil meiner Arbeit. Ich mag es sehr, der jeweiligen Zielgruppe Dinge unterzujubeln, mit denen sie sich von allein vielleicht nicht beschäftigt hätte. Das ist ein bisschen, wie wenn man einem Kind beim Essen zu den Pommes heimlich noch ein paar Stücke Brokkoli und eine Möhre frittiert. Auf diese Weise recherchiert man dann auch mal vier Seiten zur ISS oder spricht mit einem Profi-Klub darüber, wie man Fußballer wird. Das ist wie früher, und man stellt fest, dass auch die Fragen im Grunde dieselben sind. Das macht mir unverändert Spaß – aber eben hier.
 
sj: Die Rückkehr in den Sport- oder Tageszeitungsjournalismus ist also eher keine Option?
 
Perkuhn: Das müsste zu sehr außergewöhnlichen Konditionen passieren, und damit meine ich nicht Geld. Ich hab in den Sport von Anfang an sehr viel investiert und mir extrem Mühe gegeben. Aber irgendwie war das wie eine kaputte Rakete, die in einer okayen Höhe geradeaus, aber nie richtig nach oben geflogen ist. Dadurch waren es immer sehr viele verschiedene Baustellen, und ich hatte auf jeder einzelnen das Gefühl, dass es nicht reicht. Irgendwann hab ich gedacht: Vielleicht geht es nicht darum, sich noch mehr zu bemühen, vielleicht passt es für mich einfach nicht (Foto: /augenklick).
 
sj: Haben Sie in Ihrer neuen Rolle das Gefühl, dass es passt?
 
Perkuhn: Ja. Ich kann mir ehrlich nicht mehr vorstellen, wieder in einer Tageszeitungsredaktion zu sitzen und mir den ganzen Tag zu überlegen, wie ich die Brillenmesse so cool verkaufe, dass sie auch online klickt. Das ganze Problem, wie sich Zeitungsverlage finanzieren, ist so groß, dass es die Freiheit, die man als Journalistin eigentlich gerne hätte, erdrückt. Wir machen hier in erster Linie Unterhaltung. Aber die Art der Unterhaltung, die Menschen konsumieren, prägt – vor allem kleine Menschen. Deshalb fühlt sich dieser Job für mich auf eine gute Art relevant an. Dazu kommt, dass Geschichten aus dem Weltraum und Superhelden-Comics mein Gehirn an einer Stelle aufgeweckt haben, von der ich dachte: Die schläft für immer.
 
Mit Anja Perkuhn sprach Katrin Freiburghaus. Sie arbeitet von München aus als Freelancerin, unter anderem für Süddeutsche Zeitung und SID. Hier geht es zu ihrem Xing-Profil.