Umsteiger Michael Steinbrecher – „Rückkehr zu den Ursprüngen“

Interview-Serie „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“

08.01.2016 Der Sport war immer seine Leidenschaft. Das hat Michael Steinbrecher aber nicht davon abgehalten, sich auch anderen Themenbereichen zu widmen. Der sportjournalist sprach mit dem renommierten TV-Mann.
 
Er war Rechtsverteidiger in der Jugend von Borussia Dortmund, spielte mit Olaf Thon in der Westfalen-Auswahl und wollte Profifußballer werden. Für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ war er ein „Großkreutz mit Abitur“. Heute lehrt Prof. Dr. Michael Steinbrecher, 50, am Institut für Journalistik in Dortmund, darüber hinaus ist er Moderator des Fernsehklassikers Nachtcafé im SWR. Davor führte Steinbrecher (Foto: firo/Augenklick) über 20 Jahre lang in 330 Sendungen durch das Aktuelle Sportstudio im ZDF.

sportjournalist: Herr Steinbrecher, jüngst lief eine weitere Ausgabe des Nachtcafés im SWR-Fernsehen mit Ihnen. Wie war für Sie die Umstellung vom Sportstudio zum Nachtstudio?

Michael Steinbrecher: Für mich ist es eher eine Rückkehr zu den Ursprüngen. Ich habe zu Beginn meiner Zeit im ZDF jahrelang die Diskussionssendung Doppelpunkt moderiert. Wir sind mit dieser Sendung im gleichen Jahr gestartet, in dem auch das Nachtcafé auf Sendung ging. Ich habe beide Sendungen schon damals als Verbündete gesehen. Jeweils ein Thema, auch Unbekannte erhalten ein Forum und diskutieren mit Prominenten auf Augenhöhe. Dazu ein Experte als Brücke zur Wissenschaft. Als Martin Müller, der Nachtcafé-Redaktionsleiter, mich angerufen hat, musste ich nicht lange überlegen.

sj: Günter Jauch, Reinhold Beckmann, Johannes B. Kerner, Anne Will, Maybritt Illner – alle sind als gelernte Sportjournalisten Talkshow-Moderatoren. Und Sie haben sogar ein Buch über Talkshows geschrieben.

Steinbrecher: Ich glaube, einige würden wie ich sagen: „Wir sind Journalisten. Mit einer Leidenschaft für Sport.“ Aber das schließt nicht aus, dass wir uns auch mit anderen Themen beschäftigen.

sj: In der Stuttgarter Zeitung stand, Sie hielten sich als Talker an die „Regeln des SWR-Flaggschiffs“. Was heißt das?

Steinbrecher: Die Stärken der Sendung haben sich seit über 25 Jahren bewährt. Gäste und Themen stehen im Vordergrund, nicht der Moderator. Es gibt viele Talkshows, aber es gibt nur eine Sendung wie das Nachtcafé. Trotzdem werden wir uns ständig weiterentwickeln. Wir sollten online noch mehr präsent sein, auch an konzeptionellen Details mehr feilen.

sj: Im „Nachtcafé“ geht es meist um soziale, menschliche Themen. Für Sport war bisher kein Platz.

Steinbrecher: Das stimmt. Was aber nicht bedeutet, dass keine Sportler bei uns zu Gast sein können. Sandra Völker, die nach ihrer großen Schwimmkarriere in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist, war zum Beispiel im Frühjahr bei uns. Sie hat eindrucksvoll beschrieben, wie hart der Einschnitt nach einer sportlichen Laufbahn sein kann. Ansonsten sprechen wir über komplett andere Themen.

sj: Ist Ihre Karriere als Sportjournalist beendet?

Steinbrecher: Mit dem Sport werde ich mich auch weiter beschäftigen. Einer meiner Forschungsschwerpunkte an der TU Dortmund ist Big Data. Die Datenrevolution verändert die Welt. Und natürlich auch den Sport. Davon sind alle Sportarten betroffen. Aber falls Sie darauf hinaus wollen, ob ich noch einmal Sport moderiere – das ist unwahrscheinlich. Im Sportstudio habe ich ja bewusst nach 21 Jahren aufgehört, als es am schönsten war. Heute sehe ich mich am Samstag eher mit meinem Sohn und meiner Frau im Stadion als in einem Fernsehstudio. Und das ist gut so.

sj: Schauen Sie auch das aktuelle sportstudio?

Steinbrecher: Selbstverständlich.

sj: Und wie sehen Sie die Zukunft dieses Klassikers, der ja „aktuell“ leider oft zu einer Mitternachtsshow verkümmert?

Steinbrecher: Es ist und bleibt eine Sendung mit allen Möglichkeiten. Studioaktionen, Sportberichte, Interviews mit Sportlern, aber auch mit Gästen aus anderen gesellschaftlichen Bereichen. Und vor allem auch die Möglichkeit für längere Diskussionen über relevante Sportthemen – welche Sendung bietet das sonst?

sj: Sie haben im Beruf schon immer auch andere Dinge gemacht. War Ihnen Sport zu wenig?

Steinbrecher: Sport war immer eine Leidenschaft. Und ich bin dankbar, all die Jahre im Sport erlebt zu haben. Nicht nur im Sportstudio, sondern auch bei einer Fußball-WM, vor allem bei Olympia. Aber ich habe mich immer auch in anderen Themen zu Hause gefühlt. Insofern haben sich nur die Schwerpunkte verlagert. Seit 2009 habe ich den Lehrstuhl in Dortmund. Jetzt kam das Nachtcafé hinzu. Es hat wieder eine neue Zeit begonnen.

Mit Michael Steinbrecher sprach Wolfgang Uhrig