Rio de Janeiros unbekannter Stadtfleck

Olympia-Kolumne „Neues vom Giganten“

18.04.2016 Langsam wird es ernst. In wenigen Monaten beginnen die Olympischen Sommerspiele. Gastgeber Rio de Janeiro hat vorher noch einiges zu tun.
Autor: Heiner Gerhardts
Gestatten, Rio de Janeiros vier Olympiazonen. Neu, reich, modern, geschäftig: das Olympiaherz Barra da Tijuca. Mit charmantem Weltruf die Copacabana, eine Meeres-Prinzessin, ewige Touristen-Hochburg, aber in die Jahre gekommen. Nicht nur Deutschlands Fußball-WM-Helden ein Inbegriff: Maracanã. Und dann noch das Aschenputtel, Deodoro, selbst den Cariocas ein unbekannter Stadtfleck.

Trotz seines bedeutenden Namensgebers – Manuel Deodoro da Fonseca, siegreicher Feldherr im Krieg gegen Paraguay (1864 bis 1870), Putschistenführer gegen Kaiser Pedro II. (1889), dann provisorischer und später erster gewählter Präsident Brasiliens (1891) – ist die Region im Hinterland, fernab von Strand, Zentrum (32 Kilometer) und selbst der Vila Olímpica (20 Kilometer), für die Stadtherren ein Stiefkind.

Dank Olympia hat das schmucklose Vorstadtviertel immerhin nun das zweitgrößte Freizeitgelände Rios, den Parque Radical, bei den Sommerspielen Wettkampfstätte unter anderem für BMX und Kanuslalom. Doch der Schuh drückt woanders: offene Abwasserkanäle, wilde Müllkippen, durchlöcherte Straßen, uniforme Wohnkomplexe, kaum Vergnügungsmöglichkeiten, hohe Kriminalitätsraten, beim Wohlstandsindikator HDI auf Platz 50 in der Cidade Maravilhosa.

Das zweite Vermächtnis: die Anbindung an die Schnellbuslinien BRT Transolímpico und (später) Transbrasil, mit exklusiven Fahrkorridoren Richtung Barra sowie zukünftig Innenstadt-Flughafen. Der Weg zur Arbeit wird zeitlich kürzer, die Wohn-Monotonie bleibt. Von der angedachten „Kernsanierung“ wird auch wegen geringen Wählerpotenzials nach den Spielen vermutlich keiner aus der politischen Chefetage mehr etwas wissen wollen.