„Ein normales Foul ist für mich nicht unfair“

Kolumne „Ansichtssache“

29.05.2017 Im Fußball geht es nicht immer fair zu. Für manchen Kicker sind Fouls allerdings eine vollkommen vertretbare Sache. Die Einstellung teilen inzwischen sogar junge Spieler.
Autor: Wolfgang Uhrig
Wer glaubt, in Fußballvereinen würden Kinder heutzutage immer auch zu fairem Verhalten erzogen, der sollte mal in Ausgaben des „Bundesgesundheitsblatts“ lesen. Da steht, dass Jugendliche, je länger sie in einem Klub spielen, sich verabschieden von der Idee des Fair Plays. So wird in der Befragung unter 4500 Spielern ein 14-Jähriger zitiert: „Fairness heißt, fair zu spielen und – wenn es sein muss – zu foulen.“

Dieser Widerspruch ist kein Wunder bei all den berühmten Vorrednern (Uhrig-Foto: Maria Mühlberger). Schon die Trainer-Legende Sepp Herberger hatte einst seinem Nationalspieler Josef Posipal gesagt: „Jupp, Ihren Gegenspieler will ich heute Abend nicht beim Bankett sehen.“ Uwe Seeler verwirrt mit dem Paradox: „Na gut, ein normales Foul ist für mich nicht unfair.“

Für Franz Beckenbauer steht fest: „Das Foul gehört zum Fußball, das ist nun mal so." Und Paul Breitner umschrieb in seinem Buch „Ich will kein Vorbild sein“ auf drei Seiten, warum er der Meinung ist, dass Kinder „frühzeitig lernen müssen, foul zu spielen“.

Wir lesen es in der Zeitung oder hören diesen Satz in der Sportschau, dass der Reporter um Verständnis heischend sagt: „Nicht so schlimm – nur ein taktisches Foul.“ Ein Foul als Kavaliersdelikt. Und wenn nun dem Gegenüber dabei das Bein bricht oder die Achillessehne reißt, dann war das Pech und eigentlich ja nicht vorgesehen.

Das „taktische Foul“ ist in freier Übersetzung, nach dem Blick in ein schlaues Buch von Ullstein, ein „überlegter, absichtsvoller Verstoß gegen den sportlichen Anstand“. Und jene, die diesen so gern einfordern, stehen gegenüber den im „Bundesgesundheitsblatt“ befragten Kindern mit in der Verantwortung – auch wir, die Journalisten.

Die Kolumne „Ansichtssache“ schreibt Wolfgang Uhrig für den Verein Münchner Sportjournalisten. Wir danken den VMS-Kollegen für die großzügige Überlassung der Texte.