Wie viel Fußball verträgt der Mensch?

Kolumne „Ansichtssache“

15.04.2017 Fußball verbindet. Leider trennt dieser auch – wenn es nur noch darum geht, vor der Glotze zu sitzen und Spiele anzuschauen. Geht abschalten?
Autor: Wolfgang Uhrig
Und wieder Bundesliga! Wer jetzt etwas dagegen hat, erinnert an den Hinweis von Heiner Koch, Erzbischof in Köln, der seinen Segen zur Liga versagt, weil die Dauerberieselung mit und um Spiele „die Kommunikation in den Familien beeinträchtigt“.

Den Teufel an die Wand gemalt hat auch der Glaubensbruder Rolf Krebs, Rat der Evangelischen Kirche im Rheinland. Er sagt: „Das kann verheerende Folgen für das Miteinander in den Familien haben, wenn Väter das komplette Wochenende vor dem Fernseher sitzen.“ Krebs schlug vor, in „Predigten und im Konfirmationsunterricht die Gemeinden für das Problem Bundesliga total zu sensibilisieren“.

Tja, es ist wieder so, wie es war: Freitagabend, Samstagabend, Sonntag vom Morgen bis zum Abend sitzen wir vor dem Fernseher. Überall Spieltage, Spielanalyen, stundenlang. Und damit keine Langeweile aufkommt ohne Liga, gibt es zwischendurch noch die internationalen Ligen und Länderspiele (Uhrig-Foto: Maria Mu?hlberger).

Dazu überall Experten und Expertisen. „Er bekam es als sogenannter Neuner schon nach 40 Sekunden mit einem echten Vierer zu tun – der Innenverteidiger rempelte ihn um. Spielte daraufhin eine Weile eine sehr falsche Neun. Später dann mal eine unsichtbare Acht, mal eine nur schemenhaft erkennbare Sieben, und wenn es ausnahmsweise mal mit Tempo Richtung Italien-Tor ging, oft eine zu verspielte Zehn“ (Süddeutsche Zeitung).

„Das zu lange Sitzen vor dem Fernseher kann zu körperlichen Schäden führen“

Wer bei so einem Nummernspiel auf Ball-Höhe bleiben will, muss heute sehr viel mehr verstehen als gestern vom Schalker Kreisel. Wer mitreden will, muss sich immer neu orientieren, er kann keine Rücksicht mehr nehmen auf Kind und Kegel – außer auf Fußball im Fernsehen. Auch gegen den Einwand vom Gesundheitsamt: „Das zu lange Sitzen vor dem Fernseher kann zu körperlichen Schäden durch mangelnde Bewegung führen.“

Gucken, bis der Arzt kommt? Oder nach Freitag-Samstag-Sonntag warten auf den Montag, auf das Spiel der zweiten Liga? Um, zwischen Abendessen und Abspülen in der Küche, die richtige Antwort parat zu haben zur Frage von Frau U. an den Ehemann: „Du Schatz, sag mal, wie viel Fußball verträgt der Mensch?“

Die Kolumne „Ansichtssache“ schreibt Wolfgang Uhrig für den Verein Münchner Sportjournalisten. Wir danken den VMS-Kollegen für die großzügige Überlassung der Texte.