Die Nachrichten überholen sich selbst

Kolumne „Hardt und herzlich“

29.10.2016 Fußballklubs sind Witschaftsunternehmen. Auch. Und deren Medienchefs sind inzwischen viel mehr als Pressesprecher. Definitiv. Für die Journalisten ist das nicht nur von Vorteil.
Autor: Andreas Hardt
Jörn Wolf muss ein wenig nachdenken. Einer für die Presse, ein Stellvertreter, interne Kommunikation, Online, ein Grafiker, das Vereinsheft, soziale Medien müssen bespielt werden, drei Leute machen TV. Und er selbst, der Mediendirektor beim Hamburger SV, ist als der Gesamtverantwortliche ja auch noch da. Pressewart? Das ist so von gestern. Von vorgestern.
 
Markus Hörwick hat sich bei Bayern München verabschiedet. Er ist Urvater einer Entwicklung von der Presseinformation hin zu den multimedialen Nachrichtenmaschinen aus dem Inneren der Fußball-GmbHs.
 
Das tägliche Nachmittagsfax „XY hat im Training eine Muskelverletzung erlitten / AB hat Fieber / Es sind noch genug Karten erhältlich, die Stadionkasse öffnet zwei Stunden vor Spielbeginn“ ist komplett überholt. Und den Trainer mal eben im Büro anrufen? Bewahre Gott!

Privatfernsehen und -radio, Internet, Twitter, Facebook, Instagram und haste nicht gesehen. Alles schnell, schnell, schnell, breaking, exklusiv. Die Nachrichten überholen sich selbst, Nachfragen stören oftmals nur. Zeit für Hintergrundgespräche gibt es kaum. Dazu kommen noch Partner und Sponsoren, die auch gerne exklusive Inhalte verbreiten möchten. Und alles am liebsten schon gestern.

Hintergründige Geschichten, Personalien, Interviews, in Ruhe auserzählt, das liefern sie (auch) beim HSV inzwischen regelmäßig in den eigenen Medien. Und, so Wolf, ohne rosarote Brille. Die Fans und Interessierten wollten es so. Schlimmer noch: In Sachen HSV, hat Jörn Wolf festgestellt, halten viele die Berichte der eigenen Medien für seriöser und glaubwürdiger als die der unabhängigen Journalisten. Das wäre ja wirklich fürchterlich. Auszuschließen aber ist das nicht. Leider.

Dieser Artikel stammt aus der August-Ausgabe des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.