Quäl dich, du Sau!

Linktipp „Paris Roubaix Challenge“

06.04.2018 Radsport war mal sehr beliebt hierzulande. Inzwischen herrscht Desinteresse. In Frankreich ist das anders. Das wird sich zum Beispiel Anfang April bei der „Paris Roubaix Challenge“ für Jedermänner und dem nachfolgenden Profi-Klassiker zeigen.
Autor: Clemens Gerlach
Der Lenz ist da. Prima, finden nicht nur die Veronikas, sondern wohl alle, außer denen, die unter Pollenallergie leiden oder in der Schneeschieberbranche tätig sind. Die Radsportfreunde freuen sich auf und über die Frühjahrsklassiker. Am 8. April beispielsweise steigt Paris-Roubaix, zum 116. Mal. Dieses Rennen wird auch „Königin der Klassiker“ genannt oder „Hölle des Nordens“. Wie auch immer, auf jeden Fall extrem – kitschig oder martialisch.

Der Radsport selbst hat hierzulande nicht mehr so viele Anhänger wie früher einmal. Das ist verständlich, aber auch irgendwie unfair. Denn es wird niemand ernsthaft glauben, dass in anderen Ausdauersportarten wie zum Beispiel Schwimmen oder Laufen weniger gedopt wird als im Velozirkus. Die Verdammung des Ritzel-und-Speichen-Zaubers in Deutschland hat vermutlich damit zu tun, dass hier die Enttäuschung über die Betrüger im Sattel besonders groß ist. Entweder ganz oben oder ganz unten. Halbe Sachen machen wir nicht.

Okay, es gibt wieder eine neue Generation deutscher Fahrer. Junge Kerle, die ihrer Zweiradtätigkeit total transparent nachgehen und mit unerlaubten Mitteln nichts zu tun haben wollen. Das kann man denen glauben oder es auch lassen. Das Gros der Bundesbürger lässt es, nicht weil das Misstrauen so groß ist, sondern das Interesse inzwischen so gering. Mal wieder ein Radprofi überführt? Na ja, so ist es halt. Wo gehobelt wird, da fallen Späne.

Wie konnte ich so beknackt gewesen sein?

Wenn man sich vorstellt, wie aufgeregt damals alle waren, sobald Jan Ullrich und Co. richtig loslegten. Ich fand das auch immer faszinierend, vor allem die Tour de France. Heute frage ich mich, wie ich so beknackt gewesen sein konnte, nicht heftiger daran gezweifelt zu haben, dass alleine Fleiß, Talent und Haferflocken ausreichen, um Berge in einem Tempo zu erklimmen, das mit manchem Pkw kaum zu erreichen war.

Im Kopf habe ich auch immer noch die Bilder vor dem Start der letzten Tour-Etappe. Strafe muss sein! Da stoßen Gauner wie Lance Armstrong ganz lässig mit Champagner an, um sich kurz danach auf die „Tour d‘Honneur“ gen Paris aufzumachen. Unterwegs werden die „Ehrenmänner“ ordentlich gefeiert. Wobei, das muss keiner, machen die Leute am Straßenrand wohl freiwillig. Ist vielleicht sonst nicht so viel los in der Gegend, da kann man mal alle Fünfe gerade sein lassen.

Auch am 8. April werden die Profis wieder enthemmt angefeuert werden, tags zuvor die Jedermänner, die bei der „Paris Roubaix Challenge“ starten. So sind die Menschen. „Quäl dich, du Sau!“
 
Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe April/Mai 2018 des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.