Springers scharfer Schnitt

Kolumne „Die Welt der Medien“

24.10.2019 Oh weh! Nach dem Einstieg eines US-amerikanischen Investmentunternehmens wird bei Springer durchregiert. Für die Print-Objekte sieht es nicht gut aus.
Autor: Gregor Derichs
Es gibt sie noch, die fröhlichen Medienpartys, so wie vor dem Fußball-Länderspiel gegen die Niederlande in Hamburg. Schauplatz Elbphilharmonie, eingeladen hatte der Sportbuzzer, bereits zum dritten Mal in diesem Jahr nach dem Event vor dem Serbien-Länderspiel im März in Wolfsburg und jenem beim DFB-Pokalfinale in Berlin.
 
Ein zwangloser Branchentreff, ohne großes Brimborium irgendeiner Ehrung, man feiert sich quasi selbst. Die Kollegen vom Sport-Onlinedienst der Madsack-Titel blicken sehr optimistisch in die Zukunft von Print und Online und zeigen das gern (Kolumnen-Logo: VDS/Andreas Mann).
 
Bei den Optimisten der Branche, von denen sicherlich noch einige mehr existieren, gibt es kein Gerede wie vom scheidenden taz-Geschäftsführer Kalle Ruch, dass das „System Zeitung am Ende“ sei. „Das Produkt regionale Tageszeitung passt bei der Mehrheit der Menschen unter 50 mehrheitlich nicht mehr in den Alltag“, urteilte auch Uwe Vetterick, Chefredakteur der Sächsischen Zeitung, im Interview mit der Süddeutschen.

„Den Lesern vorgaukeln, dass alles unverändert gut ist“
 
Paid Content hat er ebenso als Gegenmittel identifiziert wie „sinnvoll gebündelte Lokalredaktionen“, was wie eine Ankündigung zum Arbeitsplatzabbau klang. Es knirscht überall. „Wir müssen an allen Ecken und Enden sparen“, sagt ein Ressortleiter aus Niedersachsen, die Parole des Verlages laute „Online first“. Die Redakteure versuchten, „die Zeitung weiter möglichst anständig zu gestalten und den Lesern vorzugaukeln, dass alles unverändert gut ist“.
 
Gar nicht mehr gut finden viele Bild-Kollegen ihre Situation. Die Ertragslage bei Springer ist ausgezeichnet, aber die Redaktionen werden nur noch als Kostenfaktor betrachtet. Der New Yorker Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts (KKR), der auch bei Hertha BSC und ProSiebenSat.1 engagiert war und nicht nur von Kapitalismus-Kritikern als „Heuschrecke“ bezeichnet wird, ist mit 2,9 Milliarden Euro bei Springer eingestiegen.
 
Das Unternehmen soll nun von der Börse (MDax) genommen werden, was von etlichen Vorschriften befreit. In einem Schreiben an die Mitarbeiter kündigte Springer Mitte September an, „in den Bereichen, die nicht wachsen“, drastisch zu sparen. „Das klingt nicht nur nach einem großen Schnitt, das ist einer“, sagte Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner der Süddeutschen.

Beim Sparprogramm geht es auch um Die Welt
 
Der Deutsche Journalisten-Verband war schon vorher davon überzeugt, dass allein bei Bild 20 Prozent der Arbeitsplätze wegfallen werden. Döpfner erklärte, es sollen eher „Häuptlinge als Indianer“ gehen. In der neuen Konstellation mit Gesellschafter KKR, dessen vorrangiges Ziel darin liegt, Springer (noch) profitabler zu machen, ließen sich bisher unmögliche Modelle durchsetzen.

Beim Sparprogramm geht es auch um Die Welt. Die Printausgabe ist schon lange ein Zuschussgeschäft, was Firmen wie KKR hassen. Welt-Kollegen fürchten schon länger, dass der Tag, an dem die gedruckte Zeitung eingestellt wird, sehr plötzlich eintreten könnte. Döpfner will das Unternehmen weiter zu einem weltweit führenden Digitalkonzern ausformen. Journalismus ist dabei deutlich teurer als Kleinanzeigen und Einkaufsseiten.
 
Gregor Derichs ist seit 2001 als freier Sportjournalist tätig. Zuvor arbeitete der 65-Jährige unter anderem in verantwortlicher Position bei dapd, dpa und SID. Der ausgebildete Diplom-Sportlehrer trat als Mitautor wie Chefredakteur zahlreicher Bücher und Magazine in Erscheinung. Zu den Kunden seiner 2015 zusammen mit Dirk Graalmann gegründeten Agentur Derichs & Graalmann Kommunikation gehört unter anderem Fußball-Bundesligist Hoffenheim.

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe Oktober/November 2019 des sportjournalist. Hier geht es zur Bestellung des Einzelheftes beim Meyer & Meyer Verlag. Mitglieder des Verbandes Deutscher Sportjournalisten erhalten den alle zwei Monate erscheinenden sportjournalist automatisch per Post und können sich das Heft zudem im Mitgliederbereich kostenlos als PDF herunterladen. Dies gilt auch für ältere Ausgaben.