Die fatale Wirkung der Unsichtbarkeit

Kolumne „Hardt und herzlich“

27.09.2020 sportjournalist-Kolumnist Andreas Hardt kann es nicht begreifen. Da gewinnt nach sehr langer Zeit wieder einmal eine deutsche Tennisspielerin ein Grand-Slam-Turnier. Doch hierzulande wird dies kaum registriert. Diese Ignoranz kommt nicht von ungefähr.
 
Am 11. September hat Laura Siegemund im Damendoppel die US Open gewonnen. Als erste deutsche Tennisspielerin seit Claudia Kohde-Kilsch 1985. Der „Tagesschau“ war diese Nachricht von einem Grand-Slam-Triumph in der bedeutenden 20.15-Uhr-Ausgabe keine Meldung wert. Auch nicht den „Tagesthemen“ später am Abend. Nichts (Kolumnen-Logo: VDS/Andreas Mann).

Dafür gab es Bilder vom zweiten Platz eines Deutschen auf einer von 21 Etappen der Tour de France. Sorry, ich raffe es nicht. Ich will es nicht verstehen. Wer bestimmt den Wert der sportlichen Ereignisse, über die wir berichten?

Diese Frage ist natürlich naiv. Die harte Währung sind eben nicht Tradition und objektive, weltweite Bedeutung. Sondern immer wieder Einschaltquoten und Werbeverpflichtungen. Wir schauen ja hierzulande auch keine Übertragungen vom Kricket, das ist okay. Wir schauen aber auch praktisch kein Eiskunstlaufen mehr oder Schwimmen.

Irgendwann sind die Dinge dann vergessen, sie verlieren durch Unsichtbarkeit auch hierzulande ihre Bedeutung. Und ein „Tagesschau“-Redakteur erkennt eine relevante Meldung nicht mehr als solche. Das frustriert einfach immer wieder.

Als Siegemund mit ihrer Partnerin Wera Swonarewa in New York triumphierte, bei einem der wichtigsten Sportereignisse dieser Welt, präsentierte Eurosport 1 Bundesliga-Fußball der Frauen live. So zementiert man einen Wertverlust. Es ist unfassbar, mit Verlaub. Vor allem, weil Eurosport doch bei der Vermittlung der US Open wie zuvor schon bei anderen Grand Slams einen super Job machte.

Boris Becker lief an der Seite von Matthias Stach wieder zu Höchstform auf. Ja, Tennis, das ist sein Metier. Das kann er. Ein Experte in seinem Bereich, der sich aus all den anderen Spielfeldern des öffentlichen Lebens besser raushalten sollte. Warum fällt mir in diesem Zusammenhang gerade Lothar Matthäus bei Sky ein?

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