Es gab schon erfüllendere Zeiten, Fußball-Anhänger zu sein

Linktipp „Unsere Kurve und Pro Fans“

09.06.2021 Fußballfans haben es nicht leicht. Wenig Publikum ist derzeit in den hiesigen Stadien zugelassen. Zudem sorgt die weiter zunehmende Kommerzialisierung für Verdruss. Da ist selbst das Scheitern der Super League nach Protesten der Anhängerschaft kein wirklicher Trost.
Autor: Clemens Gerlach
Das Ende passte perfekt. Null Tore, null Stimmung am 12. April. Damals trafen die beiden von vielen Fußball-Nostalgikern als „Retortenklubs“ verschrienen Teams der TSG Hoffenheim und von Bayer Leverkusen aufeinander. Es war das vorerst letzte Montagspiel in der Fußball-Bundesliga. Organisierte Anhänger*innen wie „Unsere Kurve“ oder „Pro Fans“ hatten immer wieder gegen diesen teilnahmeunfreundlichen Spieltermin protestiert.

Vermutlich wären sie jetzt, wo alles vorbei ist, froh gewesen, mal wieder an einem Montag durch die halbe Republik zu gondeln, um abends in einem Stadion sein zu dürfen. Aber das geht ja nicht wegen dieser Geschichte, deren Namen ich nicht mehr aussprechen mag.

War die Abschaffung der zur Saison 2017/2018 eingeführten Arbeitswocheneröffnungspartien nun ein Erfolg der beharrlichen Anhänger*innen? Manch einer mag es vielleicht so bewerten. Insgesamt sieht es eher trist aus mit der Beteiligung jener Menschen, die in den Arenen für die Schaffung eines packenden Gemeinschaftserlebnisses hauptverantwortlich sind. Oder möchte jetzt eine*r behaupten, dass die seit geraumer Zeit ohne Publikum ausgetragenen Stadionhall-Begegnungen besonders mitreißende Ereignisse sind?

Klar, die Pappkamerad*innen auf den Tribünen halten sich an die Regeln und feuern keine Bierbecher durch die Botanik. Aber sonst? Sonst haben die Fans nichts zu melden. Die geld- und geltungsgierige UEFA bläht gerade die Champions League auf, so dass diese mit einem fairen sportlichen Wettbewerb nichts mehr zu tun hat.

Es soll ab der Spielzeit 2024/2025 eine weitgehend geschlossene Gesellschaft werden. Das ist prima für die gesetzten „Traditionsklubs“ – der Rest kann zusehen, wo er bleibt. Vielleicht aber werden diese oftmals hochverschuldeten Kurze-Hosen-Unternehmen auch irgendwann ganz eigene Wege der Kapitalisierung gehen.

Das (vorerst gescheiterte) Modell einer von der UEFA unabhängigen Super League kommt vermutlich mal wieder auf den Tisch. Dann halt als Mega/Hyper/Giga League. Oder alles zusammen (Foto: Screenshot Website Pro Fans).

Wie auch immer das Duell der Nimmersatten enden mag, im hiesigen Spielbetrieb ändert sich bereits ab diesem Sommer einiges. Neuer TV-Vertrag, neue Anstoßzeiten. Bis zur Saison 2024/25 gelten diese. Wichtig sind die umfangreichen Infos, wann an den einzelnen Tagen gespielt wird, vor allem für jene, die Fußball gerne im TV schauen. Es ist ja derzeit alles andere als sicher, dass bald wieder live vor Ort im großen Stil mitgefiebert werden kann. Fernbedienung statt Fernzüge. Es gab schon erfüllendere Zeiten, Fußballfan zu sein.

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