Kolumne „Hardt und herzlich“

Der deutsche Hochleistungssport ist heimatlos

04.02.2022

Von den deutschen Teilnehmer*innen bei den Winterspielen in Peking erwartet sportjournalist-Kolumnist Andreas Hardt nicht viel. Es werde wohl wieder sehr wenige Medaillen geben. Eine Ursache dafür sieht er in der mangelnden Unterstützung durch die Politik.

 

Bundesministerium des Inneren und für Heimat. So ist die offizielle Bezeichnung. Und ja, man vergisst es so leicht, das Bundesministerium des Inneren und für Heimat ist auch für den Hochleistungssport zuständig. Wird nur nicht im Titel geführt – im Gegensatz zur Heimat. Wir wissen das, aber vor dem Beginn der Olympischen Winterspiele in Peking stellte sich die polemische Frage, ob das auch die neue Ministerin Nancy Faeser weiß.

Erst am 17. Januar erschien die erste Pressemitteilung aus dem Ministerium, in der es um Sport ging. Konkret um finanzielle Hilfen für den Profisport in der Corona-Pandemie. Davor: Nichts zu finden. Keine Stellungnahme, kein Plan, keine Aussage, keine Perspektive. Frau Faeser ist seit dem 7. Dezember im Amt. Das letzte auf der Website des Ministeriums veröffentlichte Interview zum Thema Sport stammt vom 17. Februar 2018 (Hardt-Foto: privat).

Höchstwahrscheinlich wird es auch bei den Spielen in Peking wieder Negativrekorde in der deutschen Medaillenausbeute geben. So wie im vergangenen Sommer bereits in Tokio. Danach wird das Wehklagen einsetzen und nach Gründen gesucht werden. Einer wird die fehlende Sportförderung sein. Die finanzielle und vor allem die ideelle.

Es scheint offensichtlich, dass dem Sport in Deutschland von vielen Entscheidern keine herausragend wichtige Rolle beigemessen wird. Gerade hat die Commerzbank ihre Sponsorenschaft für das „Grüne Band“ eingestellt, die Förderung für jährlich 50 Sportvereine, die sich im Nachwuchsleistungssport engagieren. 5000 Euro pro Jahr und Klub waren das. Eine wichtige Hilfe. Vorbei. Praktisch unbemerkt.

Warum gibt es keine Staatsministerin für Sport?

Fußball-Geisterspiele, leere Stadien – das war reiner Populismus, während die Konzerthäuser voll bleiben durften. 2000 Zuschauer zugelassen bei HSV gegen St. Pauli in einer 57.000-Mann-Arena im Freien, ebenfalls 2000 beim Konzert in der 2200 Gäste fassenden Elbphilharmonie drinnen – geht’s noch? Dass es eine Staatsministerin für Kultur und Medien gibt, ist schön und wichtig. Aber warum gibt es das nicht auch für Sport?

Nicht weniger populistische Forderungen, die Olympischen Spiele in Peking zu boykottieren, um gegen die Menschenrechtsverletzungen in China zu protestieren, beweisen zudem das Unverständnis für die Situation der Athleten. Die Sportler leben von ihren Erfolgen, von der seltenen Sichtbarkeit bei Olympia. Das sind keine Hobbysportler, die entscheiden können, wo sie starten wollen und wo nicht.

Nancy Faeser dagegen hat „aus persönlichen Gründen“ entschieden, dass sie nicht nach Peking fliegt. Gut so – China wird das egal sein, aber es spart Emissionen, und für die Sportler ist es ohnehin wichtiger, dass sie sich daheim um den Hochleistungssport kümmert. Wenn ihr nur jemand sagt, dass sie auch dafür zuständig ist.

Andreas Hardt arbeitet nach über 20 Jahren als Redakteur bei SID und dapd nun als freier Journalist in Hamburg. Er schreibt die Kolumne „Hardt und herzlich“ monatlich für den sportjournalist-Newsletter des VDS.