Kolumne „Hardt und herzlich“

Die Frauen haben geliefert

03.08.2022

Die deutschen Fußballerinnen haben bei der EM in England Großes geleistet und beste Werbung für sich gemacht. Doch was bleibt vom Ruhm, wenn der Alltag wieder zuschlägt? Das fragt sich sportjournalist-Kolumnist Andreas Hardt.

 

„Fußball ist deshalb spannend, weil niemand weiß, wie das Spiel ausgeht.“ Wir müssen jetzt mal den alten Sepp Herberger zitieren, wenn es um die Fußball-EM (der Frauen) geht. Beim Turnier in England haben die Spielerinnen von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg mal so richtig Werbung für sich und das „schöne Spiel“ gemacht. Und das lag nicht nur am überaus erfolgreichen Abschneiden einschließlich Traumfinale gegen Gastgeber England.

Oder doch? Was wäre denn bei einem frühen Ausscheiden in der Gruppenphase passiert? Weiter hohe Einschaltquoten bei Dänemark gegen Frankreich, wenn „wir“ schon draußen sind? Wohl eher nicht. Erfolg ist für die Sportbegeisterung hierzulande einer der entscheidenden Faktoren. Aber egal, die deutschen Fußballfrauen haben ja geliefert (Foto: GES-Sportfoto/Edith Geuppert/augenklick).

Sogar der tägliche „Volkes-Stimme-Kolumnist“ der großen deutschen Boulevardzeitung fand also zu seinen schmierigen Worten über das Team: „Liebe Frauen-Nationalelf, mich begeistert, dass das Spiel nach Blumen riecht und nicht nach Hass.“ Genau! Blumen!

Und mit jedem Sieg entwickelte sich die übliche Neugier-Dynamik. Die Damen hofften auf Aufmerksamkeit, bitte sehr, konnten sie haben. Eine musste „ihrer Liebsten wehtun“, weil man aufeinandertraf. Eine andere „zeigte stolz ihre Frau“. Und schließlich lernten wir: „Das sind die Liebsten der deutschen Fußball-Frauen.“ Schön mit Fotostrecke. Der ganz normale Voyeurismus eben, der auch vor Privatem nicht halt macht.

Die Fußballdamen betreiben eine Randsportart

Den Preis muss man wohl zahlen, wenn man denn sportlich erfolgreich ist und zuvor praktisch gar nicht wahrgenommen wurde. Jetzt ist Nachholbedarf – und die Zeitung „erklärt“. Denn machen wir uns nichts vor. Die Damen betreiben eine Randsportart. Sie spielen zwar das gleiche Spiel wie die über-vermarkteten Männer, doch sie generieren deutlich weniger Einnahmen als die Kollegen. Aber sicherlich immer noch mehr als zum Beispiel die Damen-Hockeynationalmannschaft, deren Spielerinnen ebenso professionell trainieren.

Die Forderungen nach „equal pay“ zu den Fußball-Männern sind deshalb Populismus, auch wenn sie vom Bundeskanzler unterstützt werden. Wer Profisport treibt, muss davon leben, was sein Sport und gegebenenfalls seine individuelle Vermarktung einbringen. Nun wissen das diese deutschen Frauen natürlich. Einige spielen im Ausland, wo die Möglichkeiten schon bessere sind, andere bei Bayern und Wolfsburg, wo Geld keine Rolle zu spielen scheint (Hardt-Foto: privat).

Vor allem aber fordern die Spielerinnen und Funktionär*innen bessere Rahmenbedingungen in den Vereinen, gut ausgebildete Trainer, gerade im Nachwuchsbereich, gerechte Verteilung der Übungszeiten in den Vereinen, eine strukturelle Gleichheit. Hier ist wirklich anzusetzen, und nicht bei der Prämienhöhe für wenige Profis.

Wie ist es eigentlich inzwischen im Schulsport? Die Jungs kicken, und die Mädchen? Auch? Toll! Wirklich? Die Bundesliga beginnt Mitte September. Dann schauen wir mal. Und drücken den Spielerinnen die Daumen, das was geblieben ist vom EM-Ruhm.

Andreas Hardt, vormals Redakteur bei SID und dapd, arbeitet als freier Journalist von Hamburg aus. Er schreibt die Kolumne „Hardt und herzlich“ für den monatlichen Newsletter des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Hier gelangen Sie zu Hardts Xing-Profil.