Reklamekiller gefährden Netzstrategie der Medienunternehmen

Diskussion über Adblocker

05.05.2016 Die meisten Websites finanzieren sich durch Werbung. Doch immer mehr Nutzer sind von Pop-Ups oder Bannern genervt – und aktivieren einen Adblocker. Den Unternehmen entgehen so Einnahmen.
Autor: Gregor Derichs
Wer sich konsequent dem vollzogenen Medienwandel stellt, für den ist es kaum noch sinnvoll, Journalismus in Print und Digital zu unterscheiden. Die Akzeptanz der Bezahlschranken setzt sich erst langsam durch beim Leser, Paid Content funktioniert nur leidlich. Aber ein Trend ist immerhin erkennbar: Auch immaterielle Güter wie guter digitaler Journalismus haben ihren Wert.

Dennoch sind die Einnahmen durch Werbung im Netz noch wesentlich wichtiger für die Refinanzierung des Journalismus als bei den meisten gedruckten Produkten. Hier ergibt sich nun ein Problem, das typisch netzspezifisch ist. Eine Entwicklung bedroht zunehmend die finanziellen Erlöse durch Werbung im Netz: „Adblocker“ heißen die Reklamekiller, die nicht nur die Verlage, sondern auch das Werbebusiness beunruhigen.

Werbung im Internet lässt sich ausfiltern, zumindest weitgehend. Das ist schon länger bekannt. Doch die Nutzung dieser kostenlosen App von „Adblock“ (advertising blocker, dt.: Werbeblocker) wächst sehr netztypisch rasant, womit auch ein Refinanzierungsmodell für den Journalismus gefährdet ist (Foto: Logo Adblock Plus). Diese raffinierten Tools sind logischerweise vielen Medien ein Dorn im Auge.
 
Bild.de geht mittlerweile so weit, seine Seiten bei eingeschaltetem Adblocker unzugänglich zu machen – sogar für zahlende Abonnenten von Bild+. Auch sie müssen die Werbung akzeptieren. Wer bild.de mit einem Browser ansteuert, der mit Hilfe des Adblockers bei Vielsurfern pro Tag an die 1000 Werbebotschaften unterdrückt, trifft auf die Ausschalt-Aufforderung mit einer Erklärung, wie das funktioniert.

Bei sport1.de schiebt sich ein Hinweis auf den Bildschirm: „Das Angebot von sport1.de wird mit Werbung finanziert. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass unsere Artikel bei aktiviertem Adblocker nicht kostenfrei zugänglich sind.“ Es besteht dann die Möglichkeit, die Werbung durch die Deaktivierung des Adblockers zuzulassen, der aufgepoppte Dialog verschwindet und alle Seiten können gelesen werden – mit Bannerwerbung.

Studien zeigen, dass extrem hohe Einnahmen verloren gehen werden

Die Alternative für jene, die ihren Adblocker weiter arbeiten lassen, ist die Buchung eines Wochenpasses bei sport1.de für 0,99 Euro oder eines Monatspasses für 2,99 Euro. Ein Dauer-Abo ist damit nicht verbunden. Wer diesen Weg wählt, muss seine Kreditkartenangaben dem Netz anvertrauen oder nutzt einen anderen Bezahlweg. Bei den Bezahltechniken ist die Netzwelt übrigens seit Jahren auf der Suche nach der bahnbrechenden Lösung.

Die Branche der Werber ist sehr aufgeregt, denn der Adblocker unterdrückt Reklame auf allen Seiten. 50 Millionen Nutzer weltweit hat der Adblocker laut eigenen Angaben. Er lässt auch Einstellungen zur Akzeptanz von nicht aufdringlicher Werbung zu. Pessimistische Studien prognostizieren, dass extrem hohe Einnahmen verloren gehen werden, weil die Zahl der Adblocker nicht nur stetig steigt, sondern der Blocker auch immer häufiger auf mobilen Endgeräten eingesetzt wird. Unterdrückte Werbung schont die Bandbreite, viele Seiten lassen sich so schneller öffnen.

Sorgt weniger aufdringliche Werbung für höhere Akzeptanz?

Dass der Adblocker, der sich wie Wikipedia durch Spenden finanziert, existiert, liegt sicher auch an nervigen Werbeformen im Netz. Bei Buzzfeed oder anderen Portalen für billiges Infotainment blitzt und blinkt es wie am Spielautomaten. Wer bei bild.de den Blocker abschaltet, stößt meist auf erträgliche Werbung.

Bei Angeboten anderer Medien erscheinen dagegen vollflächige Werbebanner, die sich selbst durch Klicken für fast eine Minute nicht beseitigen lassen. Adblocker zwingen die Werber, über die Zumutbarkeit und die Qualität der Werbung nachzudenken. Fest steht aber auch, dass die Reklamekiller Teile der Strategie zerstören, Journalismus im Internet refinanzieren zu können.