Sicherheit und Sommerspiele

Rio-Report – Teil III

03.08.2016 Brasilien gibt sich alle Mühe, für möglichst sichere Sommerspiele zu sorgen. Deshalb sind Polizei und Militär in Alarmbereitschaft. Viele Armenviertel sind leider noch immer No-go-Areas.
Autor: Heiner Gerhardts
Im ersten Teil des dreiteiligen Rio-Reports ging es um die wirtschaftliche Rezession und die Korruptionsvorwürfe gegen die politsche Führung des Landes. Der zweite Teil widmete sich den mitunter inakzeptablen Wettkampfbedigungen.

Auf die schlechten Nachrichten wegen des Zika-Virus’ in Brasilien folgte der Skandal um die Ciclovia Tim Maia, der Küstenradweg, der sich zwischen Leblon und São Conrado auf 3,9 Kilometer teils über Betonpfeiler schlängelt. Der Einsturz eines 26 Meter langen Teilstücks, von hochschlagender Brandung weggerissen, kostete zwei Menschen das Leben. Und das am 21. April, als die Organisatoren mit der Entzündung der Flamme im griechischen Olympia einen positiven Fokus auf die Spiele werfen wollten.

Dann am 25. April die nächste Horrormeldung. Das regionale Arbeitsaufsichtsamt berichtete über elf Tote seit Januar 2013 auf Baustellen mit olympischer Relevanz – überfahren, abgestürzt, vom Strom erschlagen. Bei der WM 2014 starben acht Bauarbeiter, in London vor den Sommerspielen 2012 kein einziger.

Für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur legten laut Stadtverwaltung 43.000 Arbeiter Hand an, viele davon nach Bauende wegen leerer Stadt- und Staatskasse und ohne neue Bauprojekte arbeitslos. Das birgt sozialen Sprengstoff.

Allein an der U-Bahn-Linie 4 schufteten gut 10.000 phasenweise in Schichten rund um die Uhr. Komplett fertig wird das Vorzeigeobjekt nicht, gefahren wird trotzdem, wahrscheinlich nur als reine Olympiabahn, nicht im Berufsverkehr. Dank des „Notstands-Dekrets“ und der damit ermöglichten Finanzspritze des Bundes in letzter Sekunde.

Neue U-Bahn-Linie ist eine wichtige Verbindung

Die Linha 4 verbindet auf 16 Kilometern Ipanema und die benachbarte Copacabana mit Barra. Vom Olympiaherz geht es über die neue Stadtautobahn Transolímpica mit separaten Spuren für Busse und während der Spiele für den Transport von Athleten und Funktionären nach Deodoro. Im Zentrum fährt die neue Stadtbahn VLT ihre Einsatzzeit langsam zum Rund-um-Betrieb hoch.

Zum „Legado“, dem Vermächtnis der Spiele für die Cariocas, gehört auch das Porto-Maravilha-Projekt, die Revitalisierung der alten Hafenmeile und der Praça Mauá, wo heute das „Museu de Amanhã“, das Museum von Morgen, Touristen anzieht.

Andere Gegenden, vor allem die Favelas, sollten dagegen gemieden werden. Die Befriedung der Armenviertel ist ins Stocken geraten, weil die Wirtschaftskrise die Gewalttaten wieder ansteigen ließ und gleichzeitig aufgrund von Einsparungen im Stadthaushalt notwendige Investitionen in Sicherheit und Polizei ausblieben (Foto: Fotoagentur Kunz/Augenklick).

Und auch das Thema Terrorismus ist in Rio nicht tabu. Erst recht seit dem blutigen Attentat auf eine Disco in Orlando (Florida) fürchtet der Nachrichtendienst ABIN vor allem die sogenannten „einsamen Wölfe“ – Einzeltäter, autonom handelnd, schwer ausfindig zu machen und zu überwachen.

Die ABIN-Agenten haben bereits erfolgreiche Rekrutierungen brasilianischer Jugendlicher durch die Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) identifiziert. Im vergangenen September flog in São Paulo ein Geldwäsche-Ring mit Verbindung zum IS auf. Im Dezember wurde in Rio ein Syrer festgenommen, der Dutzenden Landsleuten brasilianische Pässe verschafft hatte. Mitte Juli nahm die brasilianische Bundespolizei zehn Terrorverdächtige fest, die angeblich einen Anschlag auf die Olympischen Spiele verüben wollten. Ende Juli wurde ein 34 Jahre alter Brasilianer mit libanesischen Wurzeln festgenommen, er soll sich im Internet zu IS bekannt haben.

Die Sommerspiele müssen viel Magie versprühen, um die Cariocas und Touristen anzustecken und für zwei unvergessliche Wochen zu sorgen. Was zuvor passiert ist, interessiert dann plötzlich nicht mehr, und wird nach dem Erlischen des Olympischen Feuers vom Rest der Welt wieder nur am Rande wahrgenommen.

Dieseser Artikel stammt aus der Juli-Ausgabe des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.