Wie Monteure auf der Ölbohrinsel

Jobprofil Journalist

17.08.2016 Die Arbeitsbelastung in der Medienbranche ist hoch, die Entlohnung leider nicht. Dennoch über insbesondere der Sportjournalismus weiterhin eine hohe Anziehungskraft auf junge Kolleginnen und Kollegen aus.
Autor: Gregor Derichs
„Die rund 13.000 Redakteure bei deutschen Zeitungen bekommen rückwirkend vom 1. Juni an 1,5 Prozent mehr Geld.“ Dies meldete die dpa Ende Juni über den Abschluss der Tarifverhandlungen. Vorausgegangen waren mehrere Warnstreiks, die Forderung der Gewerkschaften lag bei 4,5 Prozent. Die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie bekommen seit Anfang Juni 4,8 Prozent mehr Geld. In der Chemie- und Energiebranche gibt es 2,4 Prozent mehr im Westen und 2,9 Prozent mehr im Osten. Die Beschäftigten der Bundesländer erhalten seit März 2,3 Prozent mehr Lohn. Redakteure stehen am unteren Ende der Skala und rutschen mit ihren Durchschnittslöhnen immer tiefer.

Kunststoff, Gummi, Glas – Mitarbeiter dieser Branche liegen mit ihren Einkommen knapp vor den Beschäftigten der Medien (PK-Foto: GES-Sportfoto/Augenklick). Auf Platz 29 der Rangliste sind die Medienschaffenden laut einem aktuellen, bei Spiegel online veröffentlichten Branchenindex abgerutscht. Die Gewerkschaften erklärten zum Tarifabschluss, bei den Gehältern für Redakteure bei Tageszeitungen bestehe „Nachholbedarf“, die Realeinkommen seien in den vergangenen zehn Jahren gesunken. Immerhin wollten die Verleger nicht mehr wie 2015 das Manteltarifmodell abschaffen, um für sie günstigere Gehaltsstrukturen einzuführen.

„Sieben Wochen lang sieben Tage arbeiten, ohne einen Tag Pause, keine Bezahlung von Überstunden. Ist das normal? Ist das rechtlich eigentlich erlaubt?“, fragte mich die Frau eines Kollegen, der das DFB-Team während der EM und zuvor schon ins Vorbereitungstrainingslager begleitet hatte. „Wahrscheinlich nicht, aber es wird wohl niemand vor das Arbeitsgericht ziehen“, lautete meine Antwort. Ich ergänzte, dass einige Verlage die Mehrarbeit mit zusätzlichen freien Tagen kompensieren und Sonntagszuschläge auch während der EM gezahlt würden.

Die Frau des Kollegen arbeitet in einer Softwarefirma, einer Branche, in der nach einer Aufholjagd im vergangenen Jahrzehnt rund 14 Prozent mehr verdient wird als in den Medien. Der anhaltende Schwund speziell des Printbereichs mit seinen Verlusten bei Auflagen und Anzeigenaufkommen lässt die Medien immer weiter in den unteren Bereich der Einkommensskala sacken.

Das Arbeitsfeld verliert an Attraktivität. 46:08 Stunden beträgt die Wochenarbeitszeit im Durchschnitt, bis zur Rente verschenken Festangestellte 6,5 Jahre ihrer Lebenszeit durch Überstunden, 75 Prozent der Festangestellten erhalten überhaupt keinen Überstundenausgleich. Das sind aktuelle Zahlen, die der Online-Jobvermittler skjlls.com in einer repräsentativen Umfrage unter Medienarbeitern ermittelt hat.

Über die Zufriedenheit im Job sagen die Werte nichts aus. Die Beobachtung, eine persönliche Feldstudie, ergibt: Viele ältere Kollegen sehnen ihren Ruhestand herbei, weil die Arbeitsverdichtung immer mehr zunimmt. Dem steht gegenüber, dass junge Leute die Medien noch immer für ein hoch attraktives Arbeitsfeld halten. Dabei werden sie oft in Verhältnisse eingestellt, die als prekär bezeichnet werden können. Berufsanfänger werden in GmbH-Konstrukte gedrängt, mit denen die Verlage ihre Tarifflucht organisiert haben. Fast überall verdienen Online-Redakteure weniger als Print-Kollegen (Foto EM-Fußballer: firo Sportphoto/Augenklick).

Und dennoch gibt es noch einen anderen Aspekt der Feldstudie: Der Spaßfaktor ist bei Sportjournalist/innen immer noch größer als bei den Mitgliedern anderer Ressorts. Und die Leistungsbereitschaft hat auch nicht gelitten – trotz etlicher Lohn-Nullrunden in den vergangenen Jahren. Sieben Wochen pausenlos arbeiten, wie ein Monteur auf einer Ölbohrplattform, während der großen Sportevents? „Wir kennen es nicht anders. Wir haben es zur Normalität gemacht“, sagte ich zur Kollegenfrau.

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe August 2016 des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.